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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,2.1912

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Heft 9 (1. Februarheft 1912)
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Avenarius, Ferdinand: Nach den Wahlen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9026#0207
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Iahrg. 25 Erstes Februarheft 1912 Heft9

Nach den WahLen

ahlagitation kann nur mit Vorstellungen arbeiten, die schon
^I H Hgeläusig oder schnellstens geläusig zu machen sind, also mit

Fragen, die alle Welt schon bespricht. Schweres, in diesen
Strudel geworsen, mag zwei-, dreimal kreisen, unter sinkt's doch,
während das Leichte im Tanzen bleibt. Darum scheint mir ganz in der
Ordnung, daß man von den Fragen, die wir heute erwähnen wollen,
im Lärme der Volksversammlungen und Leitartikel der letzten Zeit
so gut wie gar nichts gehört hat. Denn all das ist ja noch nicht
„aktuell". Aktuell aber muß es werden. Es ist ja nicht nur das
wichtig, daß gesetzgültige Beschlüsse im einzelnen Falle dies oder
jenes Vernünftige erreichen. Wichtiger noch ist, daß gesetzgültige Be-
schlüsse aus möglichst vernünstige Weise zustande kommen, denn
nur das bürgt dafür, daß sie möglichst o s t im Ergebnis vernünftig
sind. Wohl: Ietzt ist der neue Reichstag gewählt, und damit ändern
sich für den gebildeten Kopf seine Ausgaben. Es tritt diese wieder
in den Vordergrund: Wirke, daß wichtige Veränderungen, die dir
nötig scheinen, vorbereitet werden, indem du Verständnis sür sie zu
verbreiten suchst. Mit andern Worten: wirke dafür, daß solche For-
derungen sobald wie möglich als aktuell empfunden werden. Wer
Parteipolitik treibt, hat hierbei die Pflicht, die Aussassungen seiner
Partei, soweit er sie mit Aberzeugung billigt, zu vertreten. Wir be-
tonen immer wieder, es liegt uns ganz sern, die Berechtigung, die
Notwendigkeit solcher Parteipolitik leugnen zu wollen. Äber wir
arbeiten mit diesem Blatte daran, sie zu ergänzen. Parteipolitiker
sind wir alle vom Kunstwart außerhalb des Blattes auch noch. Dieses
besondern Blattes besondre politische Arbeit hat jedoch, seinem Pro-
gramm gemäß, dem tzerauslösen von Kulturausgaben aus ihrer Ver-
quickung mit dem Parteileben zu gelten, damit ihre Wichtigkeit all--
gemein empsunden und deshalb möglichst energisch und möglichst
rasch gefördert werde. Gerade diese Zeit jetzt scheint mir besonders ge-
eignet, um aus ein paar Punkte aufzumerken, von denen bei uns so gut
wie gar nicht gesprochen wird, weil sie den glücklichen Besitzern unter den
Politikern unbequem sind. Wer sich bemüht, die politische Arbeit des
Tages, des Iahres als Teil der großen Kulturbewegung überhaupt zu
sehn, gerade der wird vielleicht die „Nebenfragen", die hier berührt wer-
den, näher am Zentrum finden, als die politischen Fachleute zugeben.
Wir wollen deshalb die Lage nicht etwa verschleiern. Der eigentliche
politische Kamps bewegt sich um Interessen. Weitaus am häusigsten um
wirtschaftliche, die sich dem Einzelnen oder seinem Stande mit Selbsttäu-
schungen als Interesssn der Allgemeinheit darstellen. Aber auch natio-
nale, religiöse, „doktrinäre" und andere Interessen nicht bloß angeblich,
sondern tatsächlich unselbstischer geistiger Art spielen doch auch mit,
und ihre bewegende Krast im Ganzen hängt davon ab, in wie vielen
sie wirken, und in diesen, wie stark. Man kann alle die nationalen

s. Februarheft W2
 
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