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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1925)
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Schumann, Wolfgang: Kulturarbeit und Kulturpolitik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0018

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andern kennen und kaufen es nicht. Der Staat, der übergeordnet und umfassend
fcheint, ist schwach; die Gruppen und Sekten sind frei und selbständig. Einiges
wenige wollen noch immer vlele von ihnen: daß Museen seien, daß Heimatschutz
und Denkmalpflege getrieben werde — und solcherlei mehr. Was in guten Händen
und auf guten Wegen ist. Aber die Zeit der allgemein-wirksamen Arbeit und Kultur-
politik scheint vorüber.

Wir, die wir in der Tradition einer gesamtdeutschen, übersektischen Zeitschrift und
Kulturarbeit stehen — der Kunstwart war die letzte schlechthin dcutsche und un-
sektische Zeitschrift des Reiches, sein Gründer war eine der letzten weithin aner-
kannten „Autoritäten"! —, wir lassen nns nun freilich vom scheinchaotischen An-
blick der Zeit nicht beirren. Es wird ja wohl noch immer Deutsche genug geben,
die dem Sekten-, dem Vorurteilwesen, der inneren Abgetrenntheit und Selbstbesonde-
rung abhold sind: eine „Sekte der Sektenfreien", um eö scherzhaft auszudrücken.
Gehören doch die Allerwenigsten so mit Leib und Seele, mit Haut und Haaren
ihrer Sekte, daß sie taub und stumm bleiben würden gegen jedes unsektische Wort.
Alles, was wir von zeitlichem Geschehen aussagen, trifft immer nur vorwaltende,
meint nie: absolut durchgreifende Züge. Sicherlich sind nicht mehr als zwei Drittel
der Deutschen sektisiert.

ÜberdieS aber: Der Befehl des Geistes ist unauSweichlich. Mag die Arbeit diesen
oder jenen Zeitcharakter annehmen, sie geschicht nicht allein um zeitlichen Bedürf-
nisses willen. Sie ist geistbefohlen. Sie ist Dienst am Menschen und am Geiste.
Wir glauben aber, daß Gcist schlechthin der Sektenbildung mit starrsinniger Be-
tonung der Grenzen entgegen ist, daß höchste Bergeistigung von selber den Ein-
zelnen aus dem Sektischen emporhebt. So bleibt Arbeitfeld und Spielraum genug.
Wir ehren die, die eine lange Zeit im Zeichen nun sinkender Sterne mit unS ge-
gangen sind. Wir grüßen die, die den Geist einer neuen Kultur — denn auch hier
ist Geist! — wahrhaft empfangen haben. Mit ihnen wissen wir uns darin einig,
daß es um das Leben der Menschen geht. Daß kein einzelnes „Kultur-Gut" an
sich zu bevorzugen, notwendig und entscheidend ist, daß alle „Güter" nnr so weit
Geltung haben, wie sie erlebtes Jnnengut kulturdurchdrungener Menschen sind. . .
Wird aber, so fragen wir, das größere, mächtigere jenseitkultürliche Geschehen,
werden die kommenden politischen Zeitereignisse uns nicht auch in diese Auffassung
wieder hineinkorrigieren? Sollten wir nicht, je geringer die Möglichkeit einer ge-
meindeutschen, übersektischen Kulturpolitik wird, gerade um der Kulturfreiheit und
Kulturentfaltung willen, auch von uns aus Kraft und Geist hinwenden auf die
allgemeinen, umfassend-übergeordneten Lebensbedingungen der Kultur und dadurch
eine neue, tiefer erfaßte Kulturpolitik eröffnen? Sind nicht letzten Endes die Begrisfe
und Betätigungen der Kulturarbeit und der Politik zum Unheil getrennt worden?
Beklagt man nicht zu Recht die Kulturlosigkeit der Politik?

Jn Wahrheit ist die Klage berechtigt. Aber nur unkundige Romantik wird dem
Übel anderö begegnen wollen als durch Einwirkung auf Art und Wesen der Men-
schen schlechthin. Die Trennung jener Begriffe und Bctätigungen ist nicht heillos;
sie ist noch nicht genügend durchgeführt! es gilt, die notwendige Arbeitteilung
als notwendig zu begreifen, aber auch zu sehen, daß trotzdem Politik kein
Räuber- und Gaunerspiel sein wird, wenn kultiviertc Menschen ihre Träger sein
tverden.

Eö ist kein Raub an der ebenso vornehmen wie unerfreulichen Aufgabe der Politik,
wenn der Dienst des Geistes, die hingebungvollste Menschenwcckung und -ent-
zündung ganze Kräfte, heißesteS Sich-entflammen, alle Gewalt der Persön-
lichkeit für sich fordert; wenn Kulturarbeit sich ganz von allem andern löst und höchst
persönliche Verhältnisse dcs Vertrauens und der Hingabe erwirkt. Sicherlich muß

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