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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

DOI Heft:
Heft 2 (Novemberheft 1925)
DOI Artikel:
Trentini, Albert: "Bobenmatz"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0112

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die der Menschheik verkünden. Dieser Wille tvar eö, ver Molo nach dcn
ersten Romanen — sle branchen hler nur ertvähnt zu werden — in den Schiller-
Stoss hineinriß. Diese Wahl tvar also völlig von der Natur erztoungen; der Wäh-
lende hattc vielleicht nicht erkannt, daß er sich am Maße dieses Feuerkopfes messen
wollen mußte, um gegenüber der täglich brennenderen Frage sicher zu werden, ob
er sich, wo nicht schon als Gestalter, vielleicht auch noch nicht als erfassender Geist,
aber doch als Wille einem der klassischen Großen ebenbürtig sühlen dürfe? Tat-
sächlich aber — reckte sich idieser Wille an Schillerö Willen nun spielend in die
Höhe! Der Schiller-Roman ist heiß gelobt, er ist aber auch getadelt worden. Es ist
das Schicksal aller Werke dieser Art, daß das Publikum glaubt, sie könnten einzig
aus einem Bedürfnis nach Anlehnung entstanden sein, und daß eS deshalb so sorg-
los überlegen über sie abspricht, weil es von der Schule her ein paar dürftige
biographische Daten kennt. ^edenfalls ist kein besserer Schiller-Roman als der
Molosche da, und wer darin die Lohe eines schonungslosen Willens, sich selber zu
vollenden, nicht knistern hört, versteht weder jemals Schiller noch Molo. Abge-
sehen hievon aber: Molos Wille hatte mit dieser Leistung vor sich selber die erste
entscheidende Probe bestanden. Und um dies war es ja gegangen! War vorher
vom spürenden Geiste nur gewittert worden, daß sein Talent, durch die zuchtstrengc
Zusammcnraffung aller Kräfte der Person seinen Werdewillen in die ihm gemäßen
Bezwingungsmassen hinanzuhetzen, — hatte, sage ich, Molo bisher nur geahnt,
daß dieses Talent, um sich auszuwirken, intensiver geladene Spielräume brauche,
als sie die gewöhnlichen Milieuromane und Milieudramen zu bieten vermögen;
so wußte er dies nun.

Bezeichnenderweise aber — nützte er dieses Wissen vorerst nicht aus. Leicht zu
erkennen, daß der Stufengewinn, den der Schiller-Roman seinem Dichter einge-
bracht hatte, in den Dramen, die nach ihm entstanden, — von der epischen Prosa
und den Versen nicht zu reden — tief nachgewirkt hat. Ebenfalls unbezweifelbar,
daß Moloö Stil- und Formungsmethode, die sich fchon in den ersten Romanen mit
der trotzigen Eigenwilligkeit ihrer Herbe und ihrer Süße- und Behagenlosigkeit
vorgestellt und dann im Schiller-Roman oft geradezu leidenschaftlich verbissen als
noch spartanischer und lakonischer bestätigt hatten, nun, nach dem Schiller-Roman,
mit voller Si'cherheit des Werkzeuggebrauches verwendet wurden. Ebenso wahr
aber ist, daß der Stoff, den Molo nun ergriff: die Gestaltung der preußischen Ge-
schichte von den Siegen Friedrichs des Großen bis zur Schlacht bei Leipzig, alle
Gefahren eineü Abstieges barg. Man braucht nur die genügende Dosis von Unbe-
stechlichkeit zu besitzen und mit ihr das starr und streng ausschließlich Preußisch-
Deutsche (und also nicht Allgcmein-Welthafte) dieses Stoffes, die Massen von
Äußerlichem, die naturgemäß an ihm hängen, und die — bei all ihrer Schönheit,
Größe und Gefühlskraft — doch nicht kosmisch ergiebige Jdee seines Geschehens zu
überdenken, uni diese Gefahren einschätzen zu können. Gewiß: die Jdee „Vater-
land" ist würdig der Gestaltung durch den größten Künstler! Allein im Falle
Molos mochte doch mancher fragen: wie kommt ein Künstler unmittelbar von
Schillers weltweiter Geistkonzeption zu der viel engeren eines erkriegten, dann zer-
kriegten, und endlich wieder erkriegten VaterlandeS? Freilich, der Erfolg der Tri-
logie war — wem müßte man dies noch begründen? — viel größer, als jener deö
Schiller-Romanes; mit der Trilogie ist Molo in Deutschland berühmt geworden!
Nun sei ohne weiteres zugegeben, daß er eö auch mit ihr nicht unverdient wurde;
daß sie als gestalterische Leistung unbcdenklich neben die im Schi'IIer-Roman voll-
brachte gestellt werden darf. Ob ihr abcr auch als einem Kunstwerke der gleiche
Rang wie jener zukomme, darüber ist viel und von manchem nicht ohne leütes
Nein gestritten worden; obwohl ausgemacht ist, daß „Fridericus" Stellen von

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