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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

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Heft 6 (Märzheft 1926)
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Trentini, Albert; Molo, Walter von: Offene Briefe, [3]: Albert Trentini an Walter von Molo [und] Walter von Molo an Albert Trentini
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Schumann, Wolfgang: Das Werk von Arno Holz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0370

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ihn leben. Kleist zerbrach lieber, als daß er sich seinen Gott zurechtbog!
Theorie ist Ableitung aus einzelnen Erscheinungen, ich erfühlte und erfühle Gott
aus allen Erschei'nungen. Jch nenne nur das uneingeschränkte Vertrauen
auf Gott, Gott „prakti'sch leben", das andere nenne ich nach Theorlen, daher falsch
leben! Gott ist nicht für jeden von unS alleln da, ich habe für 'den Gott da zu sein,
der für alle da ist!

Du fürchtest, daß der liebe Gott nnt der Zeit „ungeduldig" werden könnte, das Wort
„ungeduldlg" gibt es bel Gott nicht, daß er „fuchsteufelswild" herabdonnern könnte
(Gott ist für mich nie fuchsteufelswild): „So hört doch fchon auf mit dem Gerede
von mir!" Das fürchte ich ni'cht. Jch „fürchte" Gott eben nicht! Sonst liebte ich
ihn doch nicht!

Die Voraussetzungen unserer Wesen sind jetzt gegeben. Das wollte ich errei'chen. Nun
laß uns von den irdischen Dingen reden, von unserer Arbeit, von unserem Heim, ich
bin gerade dabei, daS Meine neu einzurlchten, davon, wie der Mensch seine alltägliche
Umgebung schaffen soll, wie man die Kinder erziehen soll, wie Du zu dem, was man
heutlge Jugend nennt, stehst, zu ihrem Kampf, zu i'hrer Zerfahrenheit, zu ihrer Be-
rufswahl, zu ihren Versuchen, unserer Zeit elne andere Sittlichkei't zu geben. Laß
uns vom Garten reden, wi'e man mit geistigen Mitteln jede Not überwindet, von
dem Problem der Famili'e und Ehe und Verwandtschaft, von der Frühlingsluft
und von den Vögeln, die zaghaft zu zirpen beginnen, laß uns jetzt von allem reden,
was jedem sichtbar, hörbar und greifbar ist. Auch von Mussolini und von seinem
Handeln, von der österreichischen Regierung, die zu allem schweigt! Jn allem lebt
mir mein Gott, zu jeder Zeit, in herrlicher All mächtigkeit und unentwegter
Allgegenwart! Das Betrachten einer Mchtennadel unter dem Mikroskop ist
schön und wi'chtig, aber nur dann, wenn wir über der Fichtennadel und i'hrem genialen
Aufbau, dle willenlos ihren Schöpfer preist, nicht den Ast, nicht den Baum,
nicht dle Erde vergessen, auf der wi'r ln diesem rätselhaften Sein rollen, di'e wieder
nur eine Fichtennadel ist am ewig-grüncn Baume des Weltenrätsels im Weltenall,
dessen Wurzeln nicht von uns genährt werden. Glaube an Deinen „freien
Willen" — i'ch glaube an den „frei'en Willen Gottes" — wenn zwei „frei'e Willen"
wldereinander sind, wird der Stärkere siegen. Wenn si'e gleichgerichtet sind,
hat der Stärkere di'e Führung! Jch glaube, daß Gottes Wille stärker ist als Alles!
Doch nun zur „Welt", zur „Jrdischkeit", laß es davon „wimmeln"!

Dein Walter

Das Werk von Arno Holz

^v^/^^er könnte zu Arno Holzens Schaffen den rechten Ton anschlagen in einer
) )! >Zeit, die für daS Mittelmäßige schon und das Zeitbefangene in Superla-
tiven und hemmunglosen Lobesfanfaren fchwelgt, als ob Halb- und Viertel-
gültiges, nur weil eS unser ist, schon von selbst in die höchsten Ehrenregionen ge-
hörte!? Wir sind verlegen um Worte des Preises, wenn nun ein Werk wirklich
einmal Anspruch hat auf alle jene leichthin gespendeten Ehren. — Dersuchen wir über
dieses zu sagen, was wahr ist! Vielleicht werden wir seinem Anspruch damit in
tieferem Sinne gerecht.

Kein Zeitenrad hat sich so unheimlich rasend gedreht wie daS unsre. Kaum ist ein
Bild der Lage erfaßt, so bietet sich schon das nächste dem überraschten Auge. Allzu
bald ist vergessen, was eben noch wichtig genommen wurde. Sollte ein mehr als
Sechzigjähriger uns noch etwaS zu bedeuten haben? Das Wunder ist geschehen! Wir

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