Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

DOI Heft:
Heft 7 (Aprilheft)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Zusammenschluß!
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0027

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
und wir wollen sie fiebernd gernü —, so crinncrn wir nns wohl znnächst der
Sprachgemeinschaft als gnten künftigen Bindemittels mit Freuden. Wahrhaft
aber soll unS entzünden der wundervolle Gedanke, wenn wir eben gerade noch
Gemeinsames genug haben, um uns verständigen zu können, so ist doch vor allem
so viel Unterscheidendes zwischen uns, daß die Vereinigung funkensprühend frucht-
bar, reibungkräftig-zeugend zu werden verspreche! Welch eine Sentimentalität
aber, in mangelhaft begründetem Gemeinschaftgefühl zu schwelgen, und welch ein
Jrrsal, darüber der viel wichtigeren, viel verheißenderen, viel verlockenderen Unter-
schiede zu vergessen! Nicht wcil wir em Dolk sind, müssen wir zueinander, svndern
wir wollen aus zwei Dölkern eines werden, das reicher, stärker, vielfältiger, span-
nungvoller und trächtiger werden soll als eines der beiden vorher war. Und wir
können einö werden; die Doraussetzungen dazu reichen aus, die Hoffnungen dar-
auf sind begründet. Nicht soll ein großes organismus-ähnliches Gebilde wie das
deutsche Reichsvolk sich ein als solches ganz unnötiges Organ angliedern und dessen
Eigensinn verwässern, nein! Wir achten diese Österreicher um vieles höher als die
sie auf diese Art lieben bis zum „Fressen". Wir achten sie als vielgliedrigeö,
tausendfältiges, lebensvolles Eigen-Gebilde. Und bieten ihnen die Bruderschaft a n,
die nicht schon gegeben ist. Bieten sie an in der gewissen Hoffnung, daß nie eine
Freundschaft zweier verwandter Bölker mehr an beidseitiger Steigerung deö geistigen
Lebens, an gegenseitiger seelischer Entfaltung, an Frucht und Zeugnis der Der-
einigung verheißen hat! Wir schätzen uns glücklich, uns zu intensiverer und inten-
sivster Mischung mit diesem fremd-nahen Volk vielleicht eines Tages zwingen zu
dürfen, wie denn staatliche Vereinigung den stärksten Zwang zu Verkehr und 2luS-
tausch nach sich zieht, den die Erde kennt. Wir preisen es hoch und höchst, daß
das Schicksal eine Zahl früh-deutscher Stämme uns bis auf ein letzteö, allerdings
bedeutsames Band entfremdet hat, daß es ihnen grundandere Widerfahrnisse ver-
hängte, tief verschiedene physische Zuschüsse eingab, wesenhaft unterfchiedliche Ge-
sinnung einpflanzte, wir preisen alle Verschiedenheiken der Österreicher von uns und
glühen vor Begierde, dieö alles uns in Freund- und Bruderschafk einzumitteln und
dadurch reicher und stärker zu werden nach dem uralten Menschheitgesetz, daß Be-
rührung mit Fremdem, nicht Gleichartigem ein stärkster Hebel aller Entfaltung ist.
Täuschen wir uns nicht! Was an politischen, wirtschaftlichen, sentimentalen, enthu-
siastischen Gründen für den Zusammenschluß vorgebracht wird, ist vielleicht genug,
ein Waffen- oder Schutzbündnis zu stiften — vielleicht! —, oder ein paar Jn-
dustriekonzerne und Gewerkschaftassoziationen hervorzubringen, im übrigen reicht
es aus für Zcitunggeschwätz und Festreden. Alles dies ist so zeitlich, so schwächlich
konzipiert, daß es müßig wäre, darüber auch nur ablehnend zu reden, wenn nicht
mehr Problematik vorläge. Der Wind des Schicksals verweht dies, wie er es in
herber Notzeit herbeigeweht hat. Täuschen wir uns auch nicht darüber, daß die
Zahl der Deutschen, welche den Zusammenschluß wollen, geringer als ihre Stimm-
kraft ist, und daß das gemächliche Österreichertum allenfalls etlichen Vorteil
darin erblickt und sich so dazu herbeilassen mag, aber daß nur ein Teil der Öster-
reicher der Aktion bedenkenlos entgegensieht, durch welche sie „aufgesogen" wer-
den sollen.

DaS heilige Versprechen tut not, niemand und nichts solle aufgesogen werden;
alles, was dem Salzburger, Jnnsbrucker, Kärntner, Oberösierreicher, Wiener
wesensnotwcndig ist, solle feierli'cher verbürgt werden als das Königreich Jtalien
den beklagenswerten Zweihundertsechzigtausend ihre Jntegrität versprach; uns selber
sollten wir dieses verbürgen und vcrsichern, denn nicht Ein- und Angliederung wird
den Zusammenfchluß zum glühenden Ereignis machen, sondern Austausch und
Binnenspannung. Not tut, daß wir, wie wir denn an dem fremden Gehalt der

-5
 
Annotationen