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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

DOI Heft:
Heft 7 (Aprilheft 1927)
DOI Artikel:
Popp, Joseph: Von der Macht der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0015

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XXXX.

Von der Macht der Kunsi

Von Ioseph Popp

K>rpheus, einer Muse und eines GoLkes Sohn, hak durch Gesang und
^^Saikenspiel die wildesten Tiere bezähmk, Bäume und Steine bewegk — in
griechischer Anschaulichkeik ein Smnbild des geheimnisvollen Ursprungs und
der wunderbaren Machk der Kunst. Auch das Christenkum hat, LroH östlicher
und westlicher Bilderstürmerei, bis zur Stunde der Kunst sich bedienk und diese
selbst ist darin groß geworden. Wo die Kulkur ülühke, gedieh allezeit und
allerorken auch die Kunst, wurde sie gepflegk und geschähk; nichk jede Gakkung
in gleichcm Maße, aber keine blieb ohne Echo in weikeren Kreisen. Gerade
darin hak sich im Lause des ig. Iahrhunderks vieles verschlechterk. Dies zu
bessern hak um die Iahrhunderkwende eine energische Bewegung eingeseHk,
die jung und alk wiederum mehr sür die Kunst und durch die Kunst erziehen
wollke. Der bisherige Erfolg ist bescheiden. — Der lehke Grund des Bersa-
gens liegk wohl darin, daß gerade die Förderer dieses Zieles das Wesen der
Kunst und ihrer Wirkungsmöglichkeiken viel zu wenig kennen. Für eine solche
Erkennknis bedarf man nichk so sehr einer allgemein anerkannken Definikion
der Kunst, die ös nichk gibt noch jemals geben wird, als eines verkiesken Bewußk-
seins dessen, warum Kunst gestalkek und was sie mik diesen ihren Bildungen
erstrebk: weder Schönheik, noch Bildung, sondern die Ersüllung urhask drän-
gender Bedürsnisse von Leib und Seele in eigenarkigem Gestalken, das Ver-
wandtes auch im Kunstgenießenden erzeugk und besriedigk.

Solcher Aussassung der Kunst ist bis jehk die Philosophie, in der besonderen
Form der Ästhekik, vielsach hinderlich gewesen; denn sie wollte und will immer
noch die Kunst allzusehr im „Schönen" irgendwie ein- und unterordnen. Des-
halb ist ihr in der Kunstwissenschask, die sür die Wesensergründung von dem
Berständnis des Künstlers und dcn einzelnen Künsten ausgehk, cine neue For-
schungsweise zur Seike gekreken. Die Kunstgeschichke, obwohl landläusige Ber-
mikklerin der Kunst, vermag hiesür nur wenig zu leisten. Ihr obliegt nur das
Werden, Wachsen und Vergehen der jeweiligen Kunstzeiken, Künstler und
künstlerischen Probleme, deren gegenscikige Beeinslussung darzustellcn, keine We-
sensdeutung, kein Werkurkeil. Wo sie dergleichen gibk, ist dies meist subjekkiv.
Deshalb ist auch ihr Werk für das Berständnis der Kunst ein beschränkker,
allzusehr überschähker. Die unzureichende Kennerschafk all der Gebildeken,
die auf Hochschulen kunstgeschichkliche Vorlesungen mit Eifer besuchen, er-
weist sich immer wieder an nicht vorgeschätzken Werken, wie ihr vielfaches
Bersagen gegenüber der jeweils modernen Kunst. Trohdem sind gerade die
Kunstgeschichksforscher aller systemakischen Kunstsorschung nichk guk gesinnt,
werden Einstellungen im Sinne eines Wölsslin von der alten Schule
wenig geschätzt. Angesichts dieser Lage „bleibt sür den ernst Bekrachtenden

Aprilheft 1927 (XXXX, 7)

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