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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

DOI Heft:
Heft 7 (Aprilheft 1927)
DOI Artikel:
Popp, Joseph: Von der Macht der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0016

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nichks übrig, als daß er sich entschließk, irgendwo einen Miktelpimlk hinzil-
sehen und alsdann zu sehen und zu suchen, wie er das übrige periphcrisch be-
handle" (Goekhe).

Ich gehe von der bildenden Kunsl aus, weil sie mir am nächsten liegk. Zugleich
bedars sie sür den Deukschen immer noch der meisten Deukung; Poesie nnd
Musik liegen ihm ungleich näher. Andererseiks läßk sich gerade an der bilden-
den Kunst Wesenkliches ganz besonders anschaulich verdeuklichen. Die Gül-
Ligkeik solcher Folgerungen wurzelk in dem allgemein anerkannken Sah: „2llle
Kunst ist eine." Iede einzelne Kunst ist nur eine Besonderheik der Kunst über-
haupk und nur soviel Kunst, als sie künstlerische Elemeuke ausweist.

Wir beginnen mik der Forderung der Nakurkreue. Dieser Maßstab ist nicht
enkscheidend und wenig sruchkbar. Selbst bei einer gewollken Nukurkreue wird
diese nichk im Sinne einer vollwerkigen Nachbildung, nur als annäherungs-
weise Illusion erreichk; schon deshalb, weil die Gestalkungsmikkel der Kunst
von jeneu der Wirklichkeit vielfach verschieden und an ihnen gemessen unzu-
reichend sind. Die Farbe, als die oberslächlichste und gleichwerkigste Form,
versagk kroh ihren hunderksälkigen AbstusungsmöglichkeiLen gerade in den Lichk-
und Schakkenwerken; das hellste Weiß wie dunkelste Schwarz erreichen nichk
annähernd die Wirklichkeit — worauf schon HelmholH hingewiesen. Noch
mehr versagk die Wirklichkeikstreue gegenüber dem Skosflichen. Alles Lebendige
und Bewegliche ist sür seinen besonderen Eindruck auf die weikgehende Mik-
wirkung unserer Phankasie angewiesen. Auch in Einzelheiken der Form ver-
mag die Kunst dem Reichkum der Nakur nichk gleichzukommen, wie in den
Falken eines alkernden Gesichkes, im Haar oder Laubwerk u. ä. So kann der
Sinn auch des realistischen Kunstwerks nichk die letzke oder genaueste Nakur-
kreue sein, umgekehrk gewährleistek keine noch so verblüssende NakurähnlichkeiL
den Kunstwerk des bekresfenden Werkes. Im Münchener Hofbräuhaus wer-
den manchmal von Silhouekkenschneidern und Zeichnern Köpfe mit überra-
schender Ähnlichkeit wiedergegeben — und doch nimmk sie kein Berständiger
als Kunstwerke, nur als Kunstferkigkeiten. Zum Bildnis gehörk in viel höhe-
rem Maße die iunere Ähnlichkeik, wodurch sich die äußere osk bemerkenswerk
veränderk. „Ich male Sie ähnlicher als Sie sind" meinke Liebermann einma!
gegenüber einem Besteller. Diese geistige Konzenkrakion ist es, die uns an
einem Bildnis inkeressierk, auch wenn wir den Dargestellken gar nichk kennen,
also die Probe aus die Nakurkreue unmöglich ist.

Dazu kommk bei jeder Wiedergabe der Wirklichkeit, daß der Künstler kein
opkischer Mechanismus ist, sondern von eigenarkiger Sinuencmpsiudlichkcik und
-empsänglichkeik, daß sein Beobachken und Nachgestalken von seiner lebcndigen
Persönlrchkeik besiimmk wird. Ludwig Richker erzählk, daß selbst in dem mensch-
lich und künstlerisch so angeglichenen Kreis der Nazarener die Zeichnung nach
einem gemeinsamen Modell durchaus verschieden geriek. Die einen inkeressierk die
linear-plastische Seike der Erschcinung, die anderen die farbige oder lichtbeein-
flußke oder eine mehr gelösie, vergleikende Form, die man malerisch uennk. Diese
erstreben einen Gesamkeindruck, jene schäHen vor allem die Treue im kleinen
— und alle bieken und beanspruchen bis zu einem gewissen Grad Nakurkreue.
Der Werkmesser für das realisiische Kunstwerk liegk vielmehr im Gebranch
der Darstellungsmikkel, mik denen es jeweils der Natur ihr Erscheinen abringk
 
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