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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

DOI Heft:
Heft 7 (Aprilheft 1927)
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Gregori, Ferdinand: Goethe und das Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0035

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Ilnd doch war's nur der Dichter, der solche Verse schrreb, war's nur der Be-
amke, der, indem er GeseHe und Verbote erlreß, bequem regreren wollke. Goekhe
hat weder seine damals schon sertigen dramatischen Werke ihrer Bedeutung
nach, die er wohl kannte, auf seiner Bühne heimisch zu machen versucht, noch
auch sür neue Arbeiten aus seiner graktischen Ersahrung NuHen gezogen.
Für den Durchschnitt der Schausgieler, die Weimar sich leisien konnte, und
auch für das Publikum, das hier ins Theater ging, waren ihm „Iphigenie"
und „Tasso" zu gut, zu kompliziert. Das eine Werk hielt er nach der Druck-
legung 15 Iahre lang von der össentlichen Aussührung sern; das andre brauchte
gar 17 Iahre dazu und wurde auch dann noch hinter Goethes Rücken einge-
übt. Gegen die theatralische Verleiblichung seines 1808 herausgegebenen
„Fausi" wehrte er sich eigentlich bis an sein Lebensende, mindesiens „verhielt
er sich dabei passiv, um nicht zu sagen leidend". Und was er andererseits mit
Rücksicht auss Theater schrieb, die vielen kleinen Stückchen, die wir längsi
in eine dunkle Ecke seines Tempels gesiellt haben, das konnte gegen die Wirk-
jamkeit KoHebuescher und Isslandscher Szenen nicht aufkommen. Im zweiten
Teile seines „Fausi" glaubte er sicherlich grade mit den Auszügen und Bildern
dem Publikum gesällig zu sein, die uns heute als nahczu überslüssig erscheinen
rmd die wir unbarmherzig streichen, nm das großzügige Schicksal des Helden
herauszusiellcn.

Er leitete das Theater nach seinem eigenen Wort als einen Ort der „höheren
Sinnlichkeit" und schrieb sür ein anderes, damals noch unsichtbares, das neben
den ausnehmenden Sinnen auch noch einen leichtbeweglichen Geisi und über
beiden eine weikausgreisende Phantasie verlangte. Bei vielen seiner Leser, die
ja über ganz Deutschland versireut waren, sand er diese Dreisaltigkeit; wie
aber sollte in dem kleinen Weimar eine Zuschauerschar dieser Art zusammen-
kommen, groß genug, das Theater so ofk zu süllcn, wie es den banalen
Stückeschreibern gelang! So genügte dem Dichter der Druck, das Buch in
dem gleichen Maße, wie es etwa den Theatermann Shakespeare gestört hakke
und hätte, der nur sür die Zuschauer schus.

Das Iagemann-Buch zeigk, daß Goethes „Gegenspielerin" ganz und gar keine
Intrigantin gewescn isi (auch Von der Kurtisane hat sie nichts), sondern nnr
ein ausgesprochenes Theakertalent und schon darum aus ganz anderem Holze
als der Dichter. Er sagt selbsi von ihr: „Sie war aus den Bretkcrn wie
geboren und gleich in allem sicher und entschieden, gewandt und sertig wie die
Ente aus dem Wasser. Sie bedurste meiner Lehre nicht, sie tat insiinktmäßig
das Rechte, vielleicht ohne es selber zu wissen." Das scheint mir der sprin-
gende Punkt sür das merkwürdig kühle und immer sörmliche Berhälknis dcr
beiden zu sein. Er witterte ihr Schauspielerblut, und sie wußke um seine Män-
gel im Theateramte. So brodelte in scinem tiessien Innern eine geheime Ab-
neigung gegen dieses schöne und wertvolle Mitglied seines Theaters (Corona
Schröter und „Euphrosyne", sür die er sich ganz anders erwärmte, ließen
sich von ihm gerne in die Schulc nehmen, die Iagemann nicht!), und in ihr
wiederum das Bcwußtsein, dem großen Manne grade aus dem Gebieke über-
legen zu scin, auf dem er ihr BorgeseHLer war. Sieht man in dicse Gegensäh-
lichkeit hinein, so ist's wie ein Wunder, daß es zwischen ihnen nie zu hestigen
AuseinanderseHungen gekommen ist, wie doch heute Tag sür Tag, wo ein
 
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