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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 7 (Aprilheft 1927)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0048

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Lose BläLLer

Von einem alLen WirLshausschild

Von Regina Nllmann

sAuki dcm Novcllenband „Oie Bacockkicche", Gcekhlein L Cc'„ Leipzig und Zürich)

s lag vor mehreren Jahren noch rn einer verborgenen Gegend Skerermarks

^ ein alkes Wirkshaus. Da siand es, wo man es gar nichk anzukreffen hoffke.
Es ffand mik seinem einen Skockwerk da, ganz so, als sei es unbewohnk imd
von einem Geiffe hingeätzk einem anderen zur Deukung, was denn eigenklich
ein Haus sei. Über der Türe aber hing ein Schild mik einem prächkigen Hirschen
daraus gemalk. Der schwang sich mik seinen Vordersüßen in den Wald hinein,
während die Hinkerbeine verweilken und einen Kirchkurm und ekliche Häuser
durchblicken ließen. Eine ganze Welk, an deren anderem Ende ein Jäger knieke,
ganz klein und belanglos, mik der Schrokbüchse in der Hand. Er zielke und
zielke, als sei es ihm erff nachkräglich eingefallen, dann erff, als längff der
Hirsch schon enkeilk war. (Manchmal gehk es den Menschen so, nichk nur mik
dem Wilde des Waldes.) Dieses Bild aber wollke gewiß nur die Krask und
die Herrlichkeik dieses Tieres schildern und das Haus einprägen da inmikken der
Wälder aus einer Makke ffehend, das eine Gaffffäkke sein sollke. Es sand sich
aber höchffens ein Jagd- und Forffmann oder ein Kohlenbrenner oder aber ein
heimkehrender Senne in dieser llnwegsamkeik zurechk; und dann nichk um Wein
und Bier, sondern um aus einer großen klaren Flasche Schnaps ein Gläschen
zu verdampsen. Man schwieg dann, denn ohnehin war niemand da als eine
schwerhörige Greisin, die immer selber dem Gaff Glas und Flasche überließ.
Denn sie konnke ein solch kropfenweises Gekränk nichk mehr eingießen, ohne
zu beben und zu zikkern. Ja, sie mußke auch beinah blind sein, denn als wirk-
lich ein Fremder einmal kam und, dieser Eigenark des Gaffhauses fremd, sie
wies, ihm einzuschänken, goß sie aus den Tisch; obzwar vorsichkig, doch einsach
aus dcn Tisch. Und zu solcher Hankicrung sprach sie auch nichk, weil es doch
nnhlos war, weil sie Laub war. Leer war sie wie ein unbcwohnkes Haus, in
dem man rusk und rusk und niemand erscheink. Taub war sie. llnd alk war sie,
daß ein Urenkel noch, groß wie er war, sich an ihr zikkriges Wiegenlied un
seinem Kinderbctke erinnerke. Sie war so alk, als habe der Tod mik einer rechk
hohcn Zahl bei ihr erff mik Rechnen angesangen und zähle jeHk hinaus, hinaus
bis ins Hunderk und mehr. Ia, dicse Frau war sagenhafk. Ob sie ekwas kat?
Gewiß, sie kak ekwas. Sie kak, was in einem so wenig belebken Hause zu kun
ist. Sie legke ein Fcuer in den Herd und rückke einen Hirsenbrei zurechk. Viel
mehr gab es nämlich nichk zu essen bei ihr, außer der Milch, die ein kleiner
Hirtenbube brachke, morgens und abends. Freilich, manchmal Lranken auch ihre
Leuke Schnags, aber das war dann nichk ihre Sache. Sie bediente gleichsam
das Leben, womit das Leben sie bedienke. Mik dem Meh abcr hakke sie längff
nichks niehr zu kun. Das besorgken die Männcr, die Enkel und die Kncchke,
die srüh und mittags und abends ums Haus warcn. Die jodelken wohl auch
einmal, aber mehr sür sich und die Felder und die 2llmen, zu denen sie immer
wicder hinausffrebken; und dic Greisin ffellke deswegen die Schüssel nichk

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