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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 7 (Aprilheft 1927)
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Lose Blätter
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Tribüne
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0059

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2lls sie schon eine Bahre knüpfken, um ihn aufzuladen, kam auch das Mädchen
herbei. Ohne Schaudern, ohne Angft, ohne das leisefte Gefühl des Helfen-
müssens. Sie, die nie den kleinften Krug gefüllk und gekragen, sie ging neben
dem Alken als ahnungsloses Geleike. Tannenzweige und Laub verbargen den
Vernnglückken. Die ihm begegneken, nahmen den Huk vor ihm ab, vor der
Majeftäk des Todes. Den Weg mußke dem Roßhüker niemand weisen. Er
wußke, wo seine Bürde hingehörke. Dork unken, halbwegs von zu Hause, wo
er den Tragkorb seines Pflegekindes immer abgeladen, wo der Jäger auf dem
Wirkshausfchilde gemalk war und der Hirfch seinem Schroke enkeilke.

Tribüne

Ganbhi fi'lmL . . .

Ein Beikrag znm Thema: Abendland und Morgenland
Bon Walther Harich

eir Jahrtausenden ragt Jndien als EinzigeS nnerfchütterlich inmitten der wech-

selnden Wogen der Reiche. Alles andere ift vorübergegangen. Seit Jahrtan-

senden hat Jndien Selbftbeherrfchnng errnngen nnd die Wissenfchaft des
Glücks." Diese Worte Mahatma Gandhi's zei'chnen die seit Jahrtausenden nner-
fchütterliche Stellnng seiner Heimat. Reiche sind darüber hinweggezogen nnd nnter-
gegangen. Mochten Fremde sie beherrfchen nnd m ihren Hanptftädten die Hoheits-
zeichen ihrer Reiche aufrichten, unberührt seit Jahrtansenden blieb Jndien im siche-
ren Besitz seiner Selbftbeherrfchnng und seiner Wissenfchaft des Glücks, die allen
andern nnerreichbar, und wird weiterbeftehen durch die Jahrtausende, wenn das eng-
lifche Weltreich zusammengesunken ift wie das mazedonifche und das römifche.
fsrn Grunde haben sich die Knltnren des Abend- und Morgenlandes erft in den leh-
ten Jahrzehnten berührt. Die Krenzzüge spielten nur an der äußerften Peripherie
des Orients und konnten von kaum nennenswerten Kräften des Sarazenenreiches
leicht znrückgewiesen werden. Das anbrechende Zeitalter der Technik gab der euro-
päifchen Zivilisation ihre entfcheidende llberlegenheit. Schon Cortez konnte mit einer
Handvoll Menfchen die alten Aztekenreiche zertrümmern, und in dem Stadium dieser
änßeren Überlegenheit ift das Verhältnis zwifchen Orient und Okzident bis heute
geblieben. Die Feuerwasfen, die organisierte Berwaltungstechnik des Weftens haben
uns über die viel älteren orientalifchen Kulturen eine Überlegenheit gegeben, die
sie znr leichten Beute unseres Erobererdranges machte. Mächtige Reiche, wie Jn-
dien oder China, die geographifch kaum zu erfchließen waren, ftanden dem politifchen
Zugrisf des Weftens osfen, und Europa grisf zu, ohne nennenswerten Widerftand
zu finden.

Wir konnten Land gewinnen, wir konnten wirtfchastlich ausbeuten, Menfchen uns
untertänig machen. Der Widerftand, der stch uns entgegensetzke, war äußerlicher
Natur, entwuchs nicht der Seele des Orients. Diese Seele zog sich fcheu vor uns
zurück, wir bekamen sie nicht zu sassen. Jrgendwie grisfen unsere Wassen, unsre
Methoden ins Leere. Der Orient beftand weiter, in einer Sphäre, die uns, den
militärisch und wirtfchaftlich llberlegenen, unerreichbar war. Diese Seele des
Orients widersetzte sich uns nicht, sie hatte keine greisbare — im eigentlichen Sinne
des Wortes „greifbare" — Materie für uns.

Das war einmal anders gewesen,, und man muß sich vor Augen halten, wann die
europäifche Wissenfchast, besser: die deutfche Wissenfchast, begann, sich überhaupt
mit dem Orient zu befchäftigen, und welche natürlichen Brücken sich darboten. Der

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