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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 8 (Maiheft 1927)
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Wittig, Joseph: Die Kunst in Neusorge
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Popp, Joseph: Gegenstandslose Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0098

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sind sreilich keine Höfe, sondern nur kleine Wirtschafken) sleht mein neues,
kaum ein halbes Iahr altes Haus. Und doch ist es das älteste Haus von Neu-
sorge; in keinem Neusorger Hause leben so viele alte Dinge wie in meincm
Hause. Ich selbst bin der jüngste Nbusorger Bürger und reiche doch viel
tieser in die Vergangenheit zurück als die ältesten Neusorger. Ich weiß, wie
alte Welten vergehen und neue Welten werden; bin nach Neusorge gekommen,
um selbst neugeschassen zu werden zu einem neuen Leben. Ich habe kein nach-
weisbares Wissen darum, aber eine unüberwindlich starke Ahnung, daß hier
ein neuer Anfang sein kann. Ihr Künstler, eilt mit mir zum Herrgott und
bittet ihn um neue Berusung, und dann malet und modelliert und meißelt und
bauet so, daß dem Neusorger beim Anblick eurer Werke ein heller Schein
über das Antliß kommt. Seid schon so mutig, von den kunstleeren Neusorger
Stuben, von den ganz unkünstlerischen Gebetbuchbildlein, ja sogar vom Kitsch
der kleinen Kunstläden und der Wallsahrtsbuden und der reisenden Bilderhänd-
ler die Kunst zu lernen, die Menschen in seliger Schau zu verwandeln und zu
verklären, denn alles andere ist keine Kunst, weder die Impression der äußeren
Welt noch die Expression der inneren Welt, sondern nur die schöpferische Er-
süllung der äußeren und der inneren Welt, die Berwandlung und Verklärung.

GegensLandslose Malerei

Bon Ioseph Popp

'dIie leHLen Märztage ging in der Mannheimer Kunsthalle eine Ausstellung
'^-^„Wege und Richtungen dcr abstrakten Malerei in Europa" zu Ende. Sic
veranlaßk uns, eine schon länger geplante Darstellung und Würdigung dieser
neuen Kunstart zu versuchen. Wir dürsen an einer europäischen Zeiterscheinung,
deren Anfang fast zwanzig Iahre zurückreicht und die sich vielseitig entwickelt
hat, nicht stillschweigend vorübergehen, müssen sie viclmehr in ihrem Wesen
zu ersassen suchen; erst dann mag man sich über das Einzelne sein Ilrteil bilden.
Es waren etwa Zoo Werke von Zst Künstlern aus Frankreich, Rußland, der
Tschechei, llngarn, Holland und Deutschland zu sehen — bei weitem nicht alles
Entscheidende, aber doch ein höchst dankenswerter Ausschnitt und neuer Beweis,
wie ungemein beweglich und anregend die Mannheimer Knnsthalle sich um das
Berständnis der Gegenwartskunst bemüht. Direktor Hartlaub hat ein kluges
Vor-wort zum Katalog geschrieben, aber mir schiene statt der kunstphilosophi-
schen Einstellung der Versuch einer konkreten Bilddeutung wünschenswerker
gewesen. Diese ist allerdings ungemein schwierig, und man muß sich darauf be-
schränken, den beiläusigen Sinn der jeweiligen Richtung wie ihrer sührenden
Künstler anzngeben; aber das gerade braucht auch der Kunstverständigste. Ich
sah die Leute zwischen Neugierde und Berwunderung, Entsetzen und Ent-
rüstung, Spott und Kopfschütkeln umherwandeln; manch einer hat mich —
wohl aufgrund meiner Aufzeichnungen — gefragt, ob das überhaupt einen Sinn
hätte, und war wie befreit, wenn ich ihm ein paar andeutende Worte sagen
konnte. So aber ergehk es wohl nicht nur den Mannheimern, erginge es auch
den Münchnern, Stuttgartern und selbst den Berlinern; man bedenke ungesähr
folgende Eindrücke: Bildchen in einer Grundsarbe, die in vielsachen Tönen
sich abwandelt, die aber als Motiv nur Farbslecken mit gelegentlich einge-

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