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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 8 (Maiheft 1927)
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Tribüne
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0137

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der Nation und dem gerechken Anspruch des TalenLes auf Förderung bedeutsamer
verei'nigte, besser begründete, und die — mit einem Wort: vernunftiger wäre.

Die Stellung des geistigen Schöpfers in der Gegenwart hat sich nicht verbessert,
sie hat sich wesentlich verschlechtert, znm mindesten soweit die deuksche Gegen-
wart in Betracht kommt. Wenn schon die wirtschaftliche Nvt der geistigen Arbeiter
zum Himmel schreit, nm wieviel mehr noch diejenige der „Vor-Arbeiter", nämlich derer,
die ihrer Zeit nm einige Jdeen- und Schöpferlängen Vovaus sind! Weniger als je
mag heute ein Unternehmer das Risiko solcher Geisteswerke auf sich nehmen, für
die erst ein Publikum der fernen Zukunft zu erhosfen ist. Die Mäzene, die der Kapi-
talismus uns beschert hat, waren nie zahlreich und zumeist etwas dürftig im Format,
verglichen mit ihren Vorgängern unter den Fürsten und Herren in vergangenen
Zeiten, als es noch kein Urheberrecht und keinen Urheberschutz gab. Was die Einzelnen
damals taten — aus welchen Motiven immer —, das obliegt nun den Vielen^ nicht als
eine Sache der Wohltätigkeit, sondern eine Leistung in ihrem eigensten geistigen Le-
bensinteresse. Geistiges Schöpfertum ist zu allen Zeiten eine Gnade GotteS: man kann
das Genie nicht aus dem Boden stampfen. Aber den Boden für die göttliche Saat
bereiten, das können wir. Und diese Arbeit sollten wir nicht daran scheitern lassen,
daß wir noch uneinig über die zweckmäßigsten Werkzeuge sind.

Umschau

Die Kunst Georg Kolbes

as schönste Werk aus KolbeS früher
Zeit ist seine „Tänzerin" von 1912,
die heute die Nationalgalerie besitzt. Eine
sanfte, zarte Empfindung geht von ihr
aus, zart und doch ohne Schwächlichkeit,
voll eines natürlichen freien Adels. Der
Form nach ein Gebilde des Jmpressionis-
mus: auf Bewegung hin gesehen, mit ge-
schmeidiger, atmender Oberfläche, nur im
Umschreiten, im Wechsel der Ansichten in
seinem plastischen Gehalt faßbar, der auS
der Bewegung lebend auch nur in der Be-
wegung sich erfchließt.

Kolbe ist von dieser freien, beschwingten
Kunst zu einer Kunst fortgeschritten, die
schärfereu Zusammenschluß der Teile,
machtvollere Strafsung des Formgefüges
suchte und sich an Stelle der gelösten,
spielend unbefangenen Gestalten, ergrif-
fene, von jenseitigen Antrieben crfüllte
Körper als Vorwurf ersah. Schon dic
Titel sind bezeichnend; die frühen Werke
heißen: Tänzerin, Badende, Najade, die
späteren: Auferstehung, Adam, Assunta.
Mit der „Sklavin" von igi6 setzt die
Wandlung bei Kolbe ein, sie erreicht ihren
Höhepunkt mit den Schöpfungen der
Jahre igoo und 21. Das bedeutendstc
Werk dieser Epoche: die „Assunta", in
öer sich antike Nacktheit mit christlicher De-
votion vereint, eine schlanke, frei und leicht
aufsteigende Gestalt, in stillem Kontur

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befangen, edles Gefäß eines keuschen, gei-
stigen Jtihalts. VorauSgegangen war der
„Adam", dessen überlebenögroße Figur
im Hof des Städelschen Museums in
Frankfurk zur Aufstellung gekommcn ist.
Oie Bezeichnung als „Adam" ohne Will-
kür — Kolbe hat mehr als den kraftvollen
männlichen Akt gesucht: er gibt das dem
Schoß der Erde entstiegene Gewächs,
traumbefangen, noch ungelöst von scinem
Schöpfer. Und wie hier Gestalt und Ge-
bärde von einer von außen in den Kör-
per wirkenden Kraft sich bestimmt, so
auch bei der „Javanischen Tänzerin"
(Abb. Kwt. Z7. Jahrg. Heft Z), die ver-
zaubert und wie von unsichtbarer Füh-
rung geleitet im Raum hinschwebt. Nicht
anders endlich bei den Figuren der „Auf-
blickenden" oder dcr „Badenden" anS den
gleichen Jahrcn, über deren Körper eine
Befangenheit liegt, die ganz andere Ge-
fühlstöne crklingen läßt als die gelösten
und freien Rhythmen der „Tänzerin"
oder der „Najade" von 1912.

Jnteressant ist nun, wie in den folgen-
den Jahren bei Kolbc cinc scheinbar rück-
läufige Bewegung einsetzt. Die feste ge-
schlossene Form, der strasfe Umriß lockert
sich, die Gliedmaßen verlieren ihrcSpan-
nung, die Oberfläche beginnt wieder zu
leben, und mehr als selbst in den frühen
Werken wird der Reiz der Mache ge-
sucht, gewinnt die Tönung der Bronze
vom Ziegelrot in Ocker, vom Schwarz
 
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