Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

DOI Heft:
Heft 8 (Maiheft 1927)
DOI Artikel:
Umschau
DOI Artikel:
Bücherschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0152

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
fig mit dem Gestern imd Morgen in
überzeugenden, überlegen geformten ab-
soluten und musikdramatifchen Werken
allgemeiner Wertgeltung verbunden ist,
die nun mit der Großen M esse in
^-moll, opn8 Z7, hervorragende Beden-
tung unter den modernen Chorwerkschöp-
fern gewann. Als das Bedeutungsvollste
in Braunfels' vorliegendem reichen Ge-
samtwerk, groß im Klang, groß in den
gcistig-seclischen Horizonten, groß in den
meisterlich nmrissenen Konturen, steht diese
Konzertmesse unmittelbar neben der Pfitz-
ner-Kantate, neben Suters I-sucii. Be-
wußt formt der Komponist das Essen-
tielle nach dem im Choral Vorliegenden,
in Anlehnung an die Litnrgie (Einbe-
ziehung des Offertoriums aus der Na-
men-Jesu-Messe, Andeutung der Konse-
kration durch ein Jnterludium zwischen
SanctuS und Benedictus); deutlich der
Zug unserer Zeit zum Kultischen. Ein
vollkommen Anderes und Neues als der
Choral, bildet doch das gregorianische
MeloS die Urzelle, das Formgebende sei-
ner individuell hochwertigen Musik; der
ihm eigene Dariationsstil wird hier von
Braunfels in schöpferischer Kraft bis ins
reifste entwickelt. Ausgleich und Bindung
von Gegensätzlichkeiten bleibt stilbestim-
mend: Klangphantasie eines Berlioz und
schlichte Verinnerllchung; sentlmentalischer
Ausdruck und naives Formspiel; intellek-
tuelle Klarheit und Gefühlsüberschwang;
Homophonie und klingende Polyphonie:
immer lebensvolle Harmonie von Sinn
nnd Sinnlichkeit. — Die Uraufführung
hat in der Mnslkgeschichte Kölns nicht
nur ihre Bedeutung ob des außerordent-
lichen Werks, auch in der Reproduktions-
leistung unter Abendroth, der alle:
Chor, Orchester (mit Orgel), Knaben-
chor imd Solisten zu eineni Gestalten hin-

riß, das höchsten Lobeö würdig.

*

Die Derbindung von Musik und Tanz
anf dem Theater dient gleichermaßcn dem
Drama und dem Spiel. Wie bei Oper
nnd Mnsikdrama scheidet sich auch hier
in der Betommg des dramatischen Aus-
drucks daS pantominiischeT anzdrama

vom Balietk, der zuständlichen Dar-
stellung formspielerischer Schönheit. Doch
kann auch innerhalb des reinen Tanz-
dramas das tänzerische Formspiel gleich
der Arie dem dramatischen Ganzen nn-
tergeordnet dienen. So charakterisiert sich
Fritz Flecks „B a t h y I l u s", Tanz-
drama aus dem alten Rom. Das dra-
matisch triebkräftige, eindeutig klare (im
Gegensatz zu Wellesz auf Kultifches und
Heroisches verzichtende, aus erotischen
Energien gespannte) Szenarium läßt Ba-
thyllus, den klassischen Tänzer des Al-
tertums, Schützling der Kaisertochter
sfulia, der Gemahlin dcs Agrippa, mit
dem Dolksliebling Pylades im Hause des
Mäzenas wetteifern. Bathyllus siegt
und reißt Julia zu stürmischer Liebesbe-
zeugung hin. Der rasende Ägrippa träu-
felt Gift in Wein, den der im Tanz un-
terlegene Pylades dem Rivalen reicht.
Nun tanzt dieser die Wirklichkeit des
Wahnsinns und erschlägt in letzter Er-
kenntnis den Mörder. Mehr als Jllu-
strierung, Untermalung, ist Flecks Musik
daS Ursprüngliche absoluter Wirkung und
Bedeutung; Pantomine und Tanz haben
die Bestimmnng: das in der Musik schon
Vorhandene auszulösen, ihm über den
musikalischen hinaus körperlichen Aus-
druck zu geben. Absolut und doch wieder
letztlich tänzerischen Einfalls, ungemein
dramatisch und doch in absoluten Form-
einheiten suitenartig, ist sie warmblütig
sinnlich, blühender Melodik und in eine
überaus reizvolle, an französischer Schule
gereifte Jnstrumentation gekleidet. Jn
Gesinnung, Klang und Orchestertechnik
der Romantir verbunden. R e m o n d
stellte das von Gadescow (der auch
virtuosen Körperspiels den Bathyll tanzte,
während Z e i l I e r als Pylades dem pan-
tomimischen Ausdruck näherkam) chore-
ographisch geleitete Geschehen in eine
schwüle, verhaltene Gewitterstimmung.
Das Orchester unter K. Schröder gab
der Mnsik Wohllaut und Leidenschaft.
Dem Chor fehlte Aktivität, dem Ballett
Originalität. Das Werk wurde begei-
stert aufgenommen.

Walter Berten

Bücherschau

c^.ans KarIingcr,DieKunst der überlegte, kenntnisreiche und durchfühlte
''PGotik. (Propyläen-Verlag, Ber- Arbeit eines gewissenhaften Forfchers vor
lin.) Wir haben in di'esem Werk die wohl- uns, der dieses Riesengebiet mit starkem
 
Annotationen