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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

DOI Heft:
Heft 9 (Juniheft 1927)
DOI Artikel:
Happ, Alfred: Die Landschaftsbetrachtung im klassischen Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0167

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XXXX.

Die LanbschafLsbetrachLung im klassischen
DeuLschlanb

Von AlfredHapp

/(^elbft die große und klärende Enkfernung, in welche das GeiftesjahrhnnderL
^—^Goethes durch sovrel neue Gefchrchke, Gefellfchaft und Gesinnung aller-
drngs gerückt worden rft, hat dre Hrndernrsse nrcht aufgehoben, die einer um-
fassenden Befchrerbung dreses Zerkalters entgegenftehen. Dre Mitlebenden über-
flog der Strmmenfchall des Schausprels, dessen sre Zengen sern dnrften, rn zu
mächkiger Versammlung, als daß sie ihre Eindrücke in einern höheren Sinne
ordnen und die wirkliche hisiorifche Geiftesleisimrg ihres Gefchlechts feftftellen
konnten; an die Stelle dieser fchütternden Lufk, ber sich noch der Rauch der na-
poleonifchen Schlachten ernmifchte, ist nun, da wir in gehöriger Dißanz zurück-
blicken, die gewaltige und faft unübersehliche Front des endgültigen Werks ge-
treten, das die Dichtung und die Wissenfchaften der klassifchen Epoche Deukfch-
lands hervorgebracht haben: eine zaubrifche Totalität, die jeden, dem sie vor-
fchwebt, zwar anlockt, aber chn sogleich, beginnt er sich auf ihre genaue Durch-
forfchung vorzubereiken, mik kaunr erfüllbaren Ansprüchen beftürmk. Während
so die Breike des Anblicks (Herder sah sie voraus und befchrieb sie mit der Ent-
zückung cines Land-Enkdeckers) zu cnzyklopädifchen Rüftungen verpflichtet, ziehk
dic Tiefe der Einzel-Abfchnitte in immcr Liefere Gefchichtsabgründe; Betrach-
kung und Liebe dabei zu fcheiden und zu bekrachten, ohne sich liebend ganz an das
Betrachtete zu fesseln — liebend weil hier, und allein in dieser fchimmernden
Wissens- und Poesie-Welt der deutfche Genius am reinften und siegreichften
hervorbrach ^—, ift am Ende vielleichk das Schwerfte.

Indcssen haben die Mitlebenden eines getan, was den besondcren Charakter
ihrer Zeik, der männlichen und menfchlrchen, durchaus verdcutlicht: sie haben
sich, wo immer sie in dic Nähe ungemeiner Personen gekommen, von diesen
Begegnungen Rechenfchaft abgelegk, gleichviel ob in unzähligen ausgetaufchten
Briefen oder in hcimlichen Memorabilien. Nichk anders zeichnen die Denk-
würdigkeitcn Varnhagens von Ense, die I'kachrichten und Schrifken von
Heinrich Stesfens Erinnerungen an große Deutfche auf, rricht anders erinnern
sich große Dcutfche in diesem Zahrhundert ihrer Brüder und geiftigen Bäker
selbft, und nicht zuletzk in jenen tiefsinnigen, von der Zier-Rhetorik barockcr
Totenklagen zu der Seelenhöhe jhrcr selbft erhobenen Gedenkreden an verwaiften
Lehrpulten und Lebcnsftätten, die vor- und nachher ohne Beispiel sind. Diese
Formen fchließen Kritik nicht aus, und unker Privaken, wie natürlich, auch nicht
den gelegentlichen Spokt (wie er sich etwa in cinen Frenndesbricf Wilhelm
von Humboldks hineinftahl, der nach eincm Besuche bei dem wunderlichen,
riüt vielen inoralspcndendcn Zettclkäftcn vcrsehenen Lavaker verfaßt worden);

Juniheft 1927 (XXXX,

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