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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 9 (Juniheft 1927)
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Specht, J. G.: Vom schaffenden Kinde
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Trentini, Albert: Zwischenspiel
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0183

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chenlang z. B. nn'k der — Bruchrechnnng beschäftigen. (Nähere Anssührungen sin-
den sich in „Neue Bahnen" z6. Jhrg., 1926, Hest Z, Dürrscher Verlag, unker „Zei-
chenskizzen und Erweitern und Kürzen des Bruches".)

»

Als Erzieher ist man zu leicht geneigt, in der Jugend ein Bettelvolk zu sehen, und gibt
daher gern, reichlich und — unausgesordert. Von dieser Torheit wurde ich gründ-
lich geheilt, als meine Klasse im Sommer 192^ unser damaliges Landheim in Wre-
men am Nordseewatt bezog.

Die herbe Schönheit der rauhen Nordseeküste packte die Kinder mit unwiderstehlicher
Gewalt. Stundenrund, tagelang zog es sie vom Spiel ab. Sie malten Deich und
Dorf, Watt und Wellenschlag. Noch Monate später brachten sie im Hause ange-
sertigte Bilder mit Motiven vom Landheim mit.

Nie zuvor und nie nachher hat sich die Klasse so ganz einer Arbeit hingssgeben, so
sehr waren nie die Sinne nach innen gekehrt. Dabei hatte kein Kind nur kopiert,
in merkwürdig sicherer Weise versuhren sie ganz unbekümmert, selbstherrlich mit
Form und Farbe, als folgten sie einer inneren Gesetzmäßigkeit.

DaS hat mich sehr nachdenklich gemacht. Jch sragte mich: Wie kommt es, daß im
Schulunterri'cht so wenig jenes das Kind von innen Bestimmende mit solcher Prä-
gnanz m die Erscheinung tritt, statt dessen so ost eine sormlose, undurchsichtige Masse
dem Lehrer gegenübersitzt? Doch wohl darum, weil wir zu wenig beachten, daß jedem
Menschen eine Richtkrast innewohnt, und weil wir daher dem Kinde ausdringlich
vielerlei anbieten, was keinen Widerhall bei ihm sinden kann. Die Weisheit des
wahren Erziehers scheint mir deshalb darin zu bestehen, jener unsichtbaren Führerin
den Vortritt einzuräumen und ihr nicht durch vorgesetzte Ziele und Programme ins
Handwerk zu psuschen, sondern aus ihre Regungen mit feinsühligem Sinn zu horchen.

Zwischenspiel

Von AlbertTrentinl

E^s saßcn etwa dreißig Menschen, Männer und Frauen, Iunge und nicht
^'mchr Iunge, um mich herum und redeten schon viele Stunden lang; und
würden vielleichk — Mitternacht war lange schon vorbei — noch bis Mittag
weiterreden. 2lber, wohlgemerkt, nicht cin einziger Niachbeter war darunter;
noch weniger redeken sie aus Snobismus oder gar als Charlatane! Nein, was
sie sagten, ernst, sachlich, aus Überzeugung und mit dem Gefühl von Verant-
wortlichkeit, brannte ihncn redlich auf den Nägeln! Zudem kannten sie die
Welt; alle. Das Leben hatte ihncn seine Hauptweiscn ohne Resk ausgespiclt.
Ihre Bergangenheit war durchaus eine ansehnliche. Im Heute ßanden sie
mit leidenschastlichcm Antcil. Freilich, vielleicht noch mehr als die Gegenwart
interessierke sie die Zukunft. Dennoch meinte ich, der nur zuhörte, ihnen end-
lich zuruscn zu müssen: „Abcr was soll eigenklich noch das Wort? Wie könnt
ihr noch an die Krast des Redens und Schreibens glauben, wo euere dreißig
unverträglich voneinander verschiedenen Standpunkte so gewiß crweisen, daß
die Menschheit von heute nichts anderes mehr ist als eine Smnme von Sekten,
und jede davon recht zu haben scheint?" 2lber ich sagte das dann doch nicht.
Halte weitcr den Mund und lausche! besann ich mich; welcher Spicgel vermag
dir auch dcuklicher das 2lntliH dcs heutigen Geistes zu ossenbaren, als dieses
kalcidoskopale Hin und Her von sast dreißig 2Zekenntnissen?

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