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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1927)
DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Der Widerspruch zwischen Geist und Leben
DOI Artikel:
Alverdes, Paul: Anlässlich einer neuen Verdeutschung der Odyssee
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0255

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Verschränkung von Geist und Leben (im Menschen) eine unsaubere, sinnlose,
dilettankische Sache sei, etwas Gesährliches und im Grunde Unmögliches,
dem der Mensch enkrinnen müsse, um sich aus die eine oder aus die andcre
Seite zu schlagen. Und eben dadurch wird er zum ewigen Feinde des Lebens,
weil Leben sür den Menschen nur um den Preis zu haben ist, daß er die
unmögliche und gesährliche Verschränkung anerkennt und sich das Ans-
biegen nach den Seiten, das buchstäbliche Glattstellen seiner Rechnung
verbietet.

Der ausschließende, lebenlähmende Widerspruch zwischen Geist und Leben
löst sich zu lebensvoller Spannung in dem Augenblick, wo der Geist sich
seiner fiktiven Einzigkeit und angemaßken Schöpferrolle begibk. Das Leben
wird frei und der Geist wird srei, sobald der pathologische Punkt des „Ab-
falls" erkannt und überwunden ist. Wenn Prinzhorn dies gemeint hat mik
seiner Mahnung, daß der Geist sür das echte Leben einzusehen und nicht zum
autonomen GöHen zu erheben sci, dann ist er LroH allem auf dem rechken
Weg.

Anläßlich einer neuen Verdentschung der Qdyssee*

Von Paul Alverdes

L^s scheink Mode geworden, die Werke dcr Alten zu verachtcn, als gebe
^^es sür den Zeitgenossen dort nichks mehr zu holen als allenfalls einige
sehr unnüHe Examenskeuntnisse. Darüber wäre zunächst kein Wort weiter
zu verlieren, wenn es sich wirklich nur um jene ewigen Züngelchen handelte,
die auch im Geistigen einzig das jeweils Modische tragen können, so wie
andere, ganz ossenbar durch geheimes Schwören, gebunden sind, mit wech-
selnden Zahresläusten wechselnde Hüke und Hosen zu zeigen. Allein es ist
wohl doch eine mächtigere und gesährlichere als eine bloße Moden-Strömung
dieser Zeit, die sich von den Künsten, vom Geiste überhaupt nichts driu-
gender wünscht, als „Zeitgenössischkeit" um jeden Preis, worunker gewöhn-
lich nicht einmal mehr verstanden wird, als der Anschluß an den jeweiligen
Stand der Zivilisation. Schon fordert man vom Gedicht, daß cs unmiß-
verständlich von den gesellschastlichen und politischen Nötcn der Gegenwart
handele und daß auch ja von den Großstädten uud den Massen und den
Fabriken und Maschinen darin die Nede sei. Alles andere nennt man
Museums-Trödel, der niemanden mehr etwas angehe als etwa einige unbe-
lehrbar „humanistische" Greise, die sich hier und dort, nicht mehr für lange,
inmitten des herrlichen Stromes purer Zeitgenössischkeit aus ihr Dächlcin
Pergamcnk gercttet hättcn.

Man vergißt dabei, daß gcmeinhin schon den Enkeln die politischc und sozinle
Problematik der Großväter ziemlich gleichgülkig sein muß. Dcnn wie langc
währt denn auch so eine Zeitgenössi'schkeit, so eine Gegenwark in diesem Be-
trachte? Die Weltgeschichke, die Geschichte der Klassen, Stände und Rka-
tionen, geht ihrcn Gang und die Zi'vili'saki'on gehk ihn sürs erste nu't und ändert
oft schon in der Gcnerationcn-Frist das äußere Bild der Welt von Grund auf,

' Die Ddyssee HomerS Oeulsch erneuert vou Albrechr Srt-uesser. Horeuverlag. Berliu-Gruue-
wald, 1927.

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