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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 10 (Juliheft 1927)
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Tribüne
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0285

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Trrbüne

Über alte und neue Buehembände

Ein Sammelsnrillin von Jvsef Popp

X/ leider machen Leute — Bucheinbände Bücher; nicht immer, aber öfter als
^ ^man meint. Manch einer kauft sich ein neues Gebet- oder Gesangbuch mehr
tvegen des fchmucken Äußeren als des gehaltvollen Jnneren. Auch die Weltdame
fchätzt im zierlich gebundenen Büchlein den erlesenen Schmuck ihres SalonS meift
höher als dessen Lektüre. Selbft unsere Kriegsgetvinnler und Jnflationsreichen
legten sich wertvolle Bucheinbände meterweise bei: „Jnhalt gleichgültig, Haupt-
sache Einband." Die Geldproleten der Vorkriegszeit haben das Gleiche mit alten
Büchern aufgeführt. Derselbe Faden, nur eine andere Nummer. Jm übrigen gibt
es nicht wenige Bucheinbände, die interessanter und wertvoller sind als das Ein-
gebundene und noch lebendig wirken, wenn der Jnhalt längst veraltet oder er-
storben ist. Aber ihre Schönheit zu erkennen, ist nicht jedermanns Sache; man
kann ungleich leichter Geweihe oder Briefmarken sammeln. Sogar Besitzern grö-
ßerer Bibliotheken mangelt hiefür oft der Sinn; nur wenige von den Vielen, die
alle Dulten, Althändler und fliegenden Stände abschmökern, beachten auf ihrer
Jagd beachtenswerte Einbände. Wie oft habe ich beobachtet, daß Besucher von
alten Kloster- und Schloßbibliotheken die Bücherei nur als Ganzes nehmen. Unter
hundert kaum einer, der die Versuchung spürt, so einen alten Recken, der wie ein
gepanzerter Ritter im Gefäche steht, näher zu besehen; selbst große Gelehrte haben
dafür kein Auge. Und doch, was gäbe es da oft Schönes und Bewundernswertes,
vhne daß es einer besonderen Kenntnis bedarf; nur Freude an geschmackvollen
Dingen ist erforderlich. Und wieviele Beziehungen bestehen zwi'schen guten, alten
und besten neuen Einbänden!

Andererseits ist die „Einbandforschung" eine unserer jüngsten und eifrigsten Wis-
senschaften, die trotz ihrer überaus mühseligen Arbeit immer mehr an Boden ge-
winnt — in der ganzen Welt. Man forscht nach Zeit und Ort, Meister und Werk-
statt, nach dem Material-, technischen und Formalstil des Embandes, nach den gegen-
seitigen Beziehungen und der Verbreitimg einzelner Typen nnd Meister. Den Anstoß
gab im wesentlichen die großartige Einbandausstellung der Wiener Hofbibliothek,
von igoch Jm gleichen Jahr ließ der Berliner Professor Loubier sein Werk „D e r
Bucheinband" erfcheinen, das 1926 in zweiter, stark erweiterter Auflage her-
auökam (Derlag Klinkhardt L Biermann, Leipzig) und bis 1800 reicht. Es ist das
grundlegende, unentbehrliche Hauptwerk dieses Gebietes und behandelt über daü
Geschichtliche hinaus vieles einschlägige Sachliche. Der deutsche Bibliothekartag hat
die Bedeutung der Einbändeforschung dadurch anerkannt, daß er 1926 eine „Kom-
mission für Bucheinband-Katalogisierung" gefchasfen, die für die systematische Be-
fchreibung alter Bucheinbände in den öffentlichen Büchereien Sorge tragen soll.
Einen sehr wertvollen Dorschlag, der die Forschung weiterhm fördert und bedeutsam
erleichtert, hat Loubier jüngst gemacht; er fordert ein „Repertorium der Abbil-
dungen von Bucheinbänden", d. h. ein Verzeichnis aller abgebildeten Bucheinbände.
Für die Abbildung selbst benützt man seltener die Photographie, bequemer und wirk-
samer das Abreibverfahren. Wie Kindcr mit weichem Papicr oder Stanniol Geld-
stücke abpressen, so werden hier auf besonderem Papier mittels Graphit oder litho-
graphifcher Kreide Abzüge und Abdrücke von Buchdeckeln oder cinzelnen Teilen der
Pressungen gemacht, die den Dorzug der Originalgröße haben, in Gips auögießbar
und für die Reproduktion gut verwendbar sind. Der verstorbene erste Direktor der
Berliner Bibliothek, Schwenke, hat 160 Mappen solcher ganzseitigen Abreibungcn

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