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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 10 (Juliheft 1927)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0322

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Au unseren Bilöern Uttd Il^oten

ans von Marecs. Rast am Wald-
rand, i86z, 11ZX116 cm. Wir haben
im Märchesi zwei berühmte Spätwerke
des Künstlers gebracht, heute gilt eS ein
Frühwerk Vvn anderer, aber auch bedeut-
samer Art. Dleseö Bild war 186z lm
Münchener Knnstverein auSgestellk. Sein
Derkauf um äoo sl. besieite Marees anS
augenblicklicher großer Not. Das Werk
galt damals als etwas vielsach Neues,
das den Kampf der Meinungen stark
herausforderte. Der bekannte Kritiker
Pecht rühmte an dem „nichts weniger
als reizenden Paar, das dem verkom-
menen Stande der Marodenrs oder der-
gleichen Gesindel angehören mochte", daß
es „siappant wahre Eremplare der Gat-
tung" darstellt; außerdcm „die Schön-
heit, Krast imd Tiefe der abendlichen
,Tärbung, dic in ihrem Reichtum an
Töncn an die bcsten altcr niederländi-
schcr Maler erinncrt; es übertrisft an
Farbenprachk und Harmonie, an Fein-
heit nnd Eigentümlichkeit des Tones
alles, was seit langer Zeit aufgetaucht
ist. Es will nnr ein schönes Bild sein,
was in eminenter Weise erreicht wnrde".
Das Bild verschwand sehr bald im Pri-
vatbesitz. Meier-Gräfe hat es in seinem
großen MareeS-Werk durch cine kleine
Wiedergabe zu neuer Erinnerung ge-
bracht, mnßte aber selbst gestehen, daß
dicse wegen nngünstiger Ausnahme völlig
nnznreichend ist. Durch gütige Dermitt-
lnng von Walther Unns nnd das anßer-
ordentlichc Entgegenkommen der Galerie
Karl Nikolai-Berlin, in deren Besih sich
das Bild jetzt befindet, war es nns mög-
lich, die erste gute Reproduktion zn brin-
gen. — Dic wunschlosc Ruhe im Bilde
überträgt sich unwillkürlich aus den
Beschauer. Sein sfnhalt ist unzähligc
Malc behandelt, schon von den alten
Meistern, im Zusammenhang mit der
Flucht nach Ägypten; auch Marees hat
das Thema später in verschiedener Form
wiederholt, Es bedeutet nichts Beson-
deres und ist anschammgSmäßig so klar,
daß man kaum aus seinen Sinn einzu-
gehen braucht, andererseits legt seine ver-
schwiegcne Poesie aller wortmäßigen Zer-
gliederung eine zurückhaltende Scheu auf.
Das Wesentliche läßt sich nur ungefähr mit
den so ganz anderen literarischen Mitteln

einfangcn; Worte bleiben hier im bloß
Andentenden stecken, wollen mehr nur
sehen machen. Woraus ersteht nun die
Hauptwirkung diescs BildeS, seine aus-
geglichene, beglückende Ruhe — selbst
noch in der Schwarzweißabbildung, die
das ganz aus farbige Tonigkeit einge-
stellte Werk nur in den Helldunkelwer-
ten wiedergeben kann? Und anch hierin
ist nnmöglich jene Abstusung im Licht
nnd Schatten erreichbar, die den Reich-
tum des Originals ausmacht. Die wohl-
gerundete Fülle der Baumgruppe nnd
das teppichhaft sich breitende Gelände,
die warme Schatten znsammenschließen,
schassen gegen die lichte, osfene Welt
cinen nmsiiedeten Bezirk stiller Znrück-
gezogenheit, in die die ferne Welt wic
durch ein osfenes Tor hereinstrahlt. Sie
erschließt zugleich cine Ouelle des Lichtes
und ein Mittel der Komposition, um
Wesentlichcs hervorzuheben und nnter sich
zu binden. Hier herrschen entschiedenc
und verhüllte Horizontale vor. Die wich-
tigste wendet sich über die Pferde gegen
das Bildinnere und führt über den Steg
zum rechten Rand. Der Kopf des Schim-
mels geht etwas über die Äildmitte hin-
ans, wie die jnnge Frau von ihr etwas
nach links abweicht; das ergibt eine un-
ausfällige zentrale Betonung, innerhalb
deren eine verhüllte Senkrechte ihr Lot
fällt: ein Stamm, der anS den Bäumen
auftancht und dem die ausiechte Hal-
tung der sihenden Fran antwortet. Don
hier spielt sich der Richtnngsgegensatz in
mannigfacher Gliedcrnng weiter. Die
Senkrechte spricht in den Beinen der
Pferde, iin Oberkörper des Mannes, in
den Pfosten der Brücke nnd in kleinerem
Stammwerk, die Wagrechte wiederholt
sich in stasfeliger Schichtnng vom nnteren
Rand des Bildes, nach dem Sitzen des
Paares und im Erdgefüge, sie wieder-
holt sich im Schoß der Frau, den Schul-
tern des Mannes, wie nach links im
Blattwerk des Bodens, lebhafter im
Standort der Pserde nnd im Steg, dar-
über in deren Leib. So ist alles gegen-
seitig verspannt, das Wichtigste nnanf-
sällig in die Mitte gerückt (die Mutter
mit dem Kind) und um sie ausklingend
die Pferde und der Mann, im weiteren
die Landschast, die dic ganze Staffage in

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