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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1927)
DOI Artikel:
Thormann, Werner E.: Das Theater in der kulturellen Krise der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0331

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XXXX.

Das Theaker in derkulturellen Krise der Gegenwark

Von Werner Thormann

'er die Zahl der Menschen, die am deukschen Theakerleben der Gegen-

^^^wark innerlich inkeressierk sind, in Beziehung seht zu den Aufwen-
dungen, die ihm ideell — so in der Fülle des Raumes, den die Presse der
Theaterkrikik zur Verfügung slellk, in der Zahl der Zeikschrifkenaufsähe nnd
selbständigen Buchveröffentlichungen, die sich mik Theakerfragen befassen —
und makeriell — vor allem in den staatlichen und städkischen Zuschüssen zu
einzelncn Theakerbekrieben — gewidmek werden, der wird zunächst Versuchk
sein, ein unerklärliches Mißverhälknis zwischen Anspruch und Bedeuknng
feslzustellen. Nähme man sämkliche Bühnen, an denen das künstlerisch crnst-
zmichmende Schausgiel gepflegk wird, plöhlich aus unserem Lebensraum:
neunzig Prozenk der Volksgenosfen könnken ihre bisherige Existenz weiker-
führen ohne das Empfinden eines wirklichen Verlußes. Man wird sogar
fragen können, ob nichk selbft dieser Prozenksah ei'ner immer noch zu günßigen
Beurkeilung der Lage enkspringk. Es mehren sich deshalb die Skimmen,
die nach praktischen Folgerungen aus solcher Erkennknis verlangen. Das
Theaker soll zur Selbstbescheidung gezwungen werden, man soll aufhören,
es wichtiger zu nehmen, als es in Wirklichkeik noch isi.

Die hiftorische und soziologische Begründung dieser Ansichk liegk nahe. Sie
gehk aus von einer Betrachkung des Theakers im Verhältnis zu den anderen
Künsten. Daß diese in den lehken 150 Jahren in der Anteilnahme, die sie
bei den Laien, beim „Publikum" fanden, so weik hinker dem Theaker zurück-
ftehen mußten, läßk sich mik einer rein künstlerischen Rangordnung der Werte
nicht begreifen. Man muß soziologifche Erkenntnisse zu Hilfe nehmen. Das
Theakei war nichk nur künftlerisches Ereignis, es hakke bedeutsame gesell-
schafkliche Funktionen zu erfüllen. Wie das Theaker der Ankike eine kulki-
fche Stäkke war, wie es im Mikkelalter religiöse und sikkliche Erlebnisse der
Volksgemeinschafk aus den Bezirken des Heiligtums hinaus ins profane Lcben
krug. so gelangte die höfische und späker die bürgerliche Gesellschafk der
lehken Iahrhunderke im Theater zur Selbstrepräsentakion. Einen großen Teil
dieser.gesellfchafklichen Aufgaben hak das gegenwärtige Theaker an andere
Bereiche des Lebens abgegeben. An die Politik, die im demokratischen Skaake
von der Masse des Volkes nichk mehr betrachkek und im passiven Sinne er-
lebk — dazu bok ihr künstlerisches Abbild im Theaker, das dem Volke seine
Könige, Helden und Führer zeigte, schönste Gelegenheik — sondern in akkiver
Teilnahme gestaltet sein will. An den Film, der im Zeitalker der Technik
ganz andere Möglichkeiten hat als das Theaker, an die Massen der Menschen
heranzukommen und ihrem Erlebnisraum zu enksprechen. An den Spork, der
den Trieb des Individuums, sich an die Masse zu verlieren und doch die

Augusthcft 1927 (XXXX, 11)

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