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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 12 (Septemberheft 1927)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0446

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halb smgerid des Weges kam, auf deu Skeiuen am Ufer m'ederzuslHen und
Kränze zu flechken, um die der Wind mit ihr stritt.

Jn jenen Wochen begann der Schlaf sie zu fliehen. llloch war sie nur dern
Lichk des Mondes unkertan und der Verhüllte hakke keine Gewalk über sie.
2lber sie fühlke sich sonderbar beunruhigk. Ofk vernahm sie es wie Klopfen und
Schluchzen Lief von innen her, oder es war wie Wellenfchlagen in ihren
Gliedern und so im Takke und Drang, daß sie meinke, sie müsse aufskehen und
Lanzen und sich wiegen. Wieder auch fühlke sie ihren Kopf so leer und so leichk
wie ein ausgeblasenes Ei auf ihrem Hals; ihr Leib aber war die Erdkugel
selbfk und fchwang sich rasend und selig durch Unendlichkeik. Ofk fnhr sie auch
aus halbem Schlummer hoch unker dem deuklichen Anfchauen von Augen; und
die karge Decke über die Brufk reißend, die sich zu wölben begann, kapgke sie
nach Zündhölzern umher. Doch war sie immer fchon beruhigk, wenn das
Flämmchen aufzifchte. Dann blieb sie noch eine Weile sitzen und sah durch
das Fenfker, wie die Bäume mik leHken Bläkkern unker dem Monde fchwank-
ken und saufken. Oder sie lief auch mik nackken Füßen hin und beugke sich
hinaus und rief: „Ach Winkerwind, ach kalker Wind," und fchüttelke sich;
denn ofk, wenn sie so skille lag, meinke sie in Dufk und Sprießen von lauker
Veilchen und Primeln zu liegen und fühlke die runden sammekhäukigen Sken-
gel an ihrer Hauk und ihre Hände füllken sich mik feuchkeu Blükenballen.
Danach feHke sie sich wieder auf ihr Bekk, in ihrem weißen Hemd, die Hände
um die Knie gefchlungen, und sagke Gebeke und Berse durch ihr Haar, das ihr
nuu in vollerem Schwall über die Skirn fiel.

Eines Nnchks aber, da sie unker dem in die Kammer fcheinenden Mond crfl
späk in Schlaf gesunken war, erwachke sie plöHlich, weil sich ein Schakken
auf ihr Gesichk legke, und auffahrend sah sie am Fensker einen Mann sihen.
Fn den Händen hielk er einen Skab, daran wie eine Lakerne der Mond hing.
Es war kein anderer als der Heiland, mik seinem fchwarzen Kragen angekan,
fchräg geneigken Haupkes, mik der Krone aus Dornreisern, und in den großen
fchimmernden Händen hielk er das hohle Rohr. Da begann ihr das Herz wie-
der zu fchlagen, aber es wollke ihr kein Lauk aus dem Mund, und gleich danach
sah sie ihn auch nichk mehr. Nün lag sie noch eine kleine Weile unbewegk und
völlig ohne Gedanken, dann brannke ihr das Gesichk von Tränen, sie wollke ru-
fen nnd singen, aber cs war alles nur Schluchzen und so übermächkig, daß sie
meinke, es berfte ihr die Brufk davon anf. So blieb sie lange, dann von Zucken nnd
Schlagen ihres Herzens noch fork und fork gefchükkelk, lächelnden Mundes, in den
ihr die Tränen zifchten, ftand sie auf und kappke die Skiegen hinunker.

Der Mond hing unermeßlich hoch im Himmel, klein wie ein Grofchen, aber
fnnkelnden, gleißenden Lichkes, daß es hell wie bei Tage war. Über den Wiesen
wogke es und hob sich wie Rauch über Eis. Cordula, die Hände flach unker
den Himmel gebreikek, fchrikk hin wie im Tanz. Unker der großen Weide beim
Alkwasser saß der Chrift und hielk mik Fifchreihern Hof. Als er Cordula kom-
men sah, erhob er sich und gebot mik dem Skab, und sie ftellken sich
zum Reigen auf. Dann rückken sie mik fchiefen Trikken vor und fchlugen lauk-
los mik den Flügeln und hielten inne und neigken sich kief. Nun fchrikk auch
Cordula vor und verneigke sich. Und so, mit ausgebreiteten Armen halberstarrk
im bereifken Grase liegend, ward sie andern Morgens gefunden.

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