Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

DOI Heft:
Heft 6 (Märzheft 1928)
DOI Artikel:
Heilbrunn, Ernst: Der Mann mit den Masken, Johan Bojer
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0433

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Mann mik den Masken, Iohan Bojer

Von Ernsi Herlbrunn

^VP^sas mich selbst. betrissL, so muß ich das traurige Gesiändnis machen, daß
/^-^-^an dem Tag, an dem wir das Böse in uns erwürgen, auch das Gute aus-
gelöscht wird." „Dieses Verhältnis der Spannung zwischen den beiden hielt
meinen Geisi zu allen Zeiten hell wach." Dieses Bekenntnis Andreas Pedersen
Bergets, des Mannes mit den Masken, Helden des gleichnamigen Romans,
isi in nnmittelbarsier Weise autobiographisch gesprochen; es ist der Schlüssel
zum Versiändnis Bojers und läßt uns die gewaltige seelische Spaunweike nnd
dunkle Paradoxie dieses großen Autors aus dem Keimpunkk begreisen.

Mit solcher Subsianz übernimmt Bojer in der heukigen norwegischen Literatnr
eine große Aufgabe. Er hat die Grundkräfte seines Volkes und seiner Land-
schaft zu hüten und gleichzeitig dieses Volkstuni zu vergeisiigen, über bloß
heimatliche Bedeutung hinauszuführen. Das Reich von Heimat und Natur
schasft die Lichtseite Bojers, sür jeden Grad von Durchgeisiung isi mik seinem
höchsi eigenwilligen und phankastischen Kopf, wie mik seinen dunklen Wesens-
seiten genügend gesorgk.

Es isi erstaunlich, welche Dichte und Breite norwegischen Lebens in Bojers
Romanen vor uns siehk. Sie enthalten eine wahre Landes- und Volkskunde
Norwegens — höchstes Lob, wenn solcher Skofs symbolisch bewältigk, be-
seelt ist und nichk gelehrt-enzyklopädischen Ballasi darsiellt (wie z. B. häusig
bei Thomas Mann), Zeugnis dann von naiv-frommer Dingnähe. Wir be-
sitzcn nach der Lektüre eine innige Kennknis norwegischen Bauern- und Fischcr-
lebens, den beidcn Grundtätigkeiten der Nation. Nirgends auch isi die Heimat
bloßc Stasfage, vor der sich eine wesensverschiedene Haudlung abspiclk. Nein,
hier sind die Menschen lebendige Natur, jedes Wort kunstgewordenes Webcn
des Volkes.

Gleichwohl ist Bojer alles eher als nur ein Heimatkünstler. Es ist in höchstem
Grade packend, ja saß ausreizend zu bemerken, in roelchem Ausmaßc er ein-
same Gesialt und individuell-zweideutige Per>on ist. Heimatliebe ßeht unver-
mittelt neben maßlosem wirklichem und geißigem Wanderkrieb, cin Gesetz und
Ordnung zerstörendes Feuer brennt die geregelte Welt zu Aschc; Bojcr, bc-
sesseu vom „großen Hunger", ist ununterbrochen auf der Suchc nach dem
siarken Nausch, nach einem Sturm ün Gemük, nach cinem Brand im Blut,
der „ein Zohannisseuer über die ganze Welt anzünden" soll. Abgrüude neben
sriedlichen Gesilden, Chaos neben Zdylle. Zn diesem auswühlenden Hader
dürsen wir den besonders groß ausgetragenen Kamps des Sternsuchers und
modernen Problematikers mit der noch fesigegründeten Heimakordnung schen.
Das isi die Einmaligkeit an Bojers Werk: cin Feuergeist unserer Zeit stößt
hier noch mit alter Wohlgefügtheik zusainmen, liebt und haßt sie zugleich.
Welleicht läßk sich auch dies uoch sageu: das Temperamenk Bojers mag des-
halb so ungebärdig wüten, weil die Kargheit und Enge Nvrwegens seinc
Energien in allzu enge Grenzen sperrte.

DicWechselfälle in diescm Kampf: das ist Bojers Werk. Es kommt alles
darauf an, diesen Kampf in seiner ganzen Ausdehnung und Wuchk zu sehen,
so daß er nichk als nur gewichtsloses Abenteurerkum erscheint. Er isi gespannt

z68
 
Annotationen