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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

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Heft 6 (Märzheft 1928)
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Lose Blätter
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Tribüne
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0455

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Auf ihren Gegenruf geschah nichLs, als daß sie ein zages Schleifen über
den Gang hin nnd einen seufzergleichen Hauih vernahm. In ihrem hohen
2llter unmächtig, eilig sich aufzutun und dem LcruL zu folgen, rief sie ihre
Pflegerin aus der ITachbarzelle. Die rang schwer aus ihrem Schlaf sich
hoch, lief die Gänge enLlang, nichL Ton noch Spur enLdeckLe sich ihr. Sie
LrachLeLe die ÄbLissin zu bereden, es sei eine Irrung gewesen, eLwa habe der
SLurm die Fenster aufgesioßen und Wind die Gänge durchfegk, und sie
möchLe jeHL die heilsame Ruhe suchen.

In der driLLen NachL lag die ehrwürdige Frau von Beginn an in der Erwar-
tung, bis das Klopfen dreimal scholl. Ihr BluL dröhnte im gleichen TcckL
mit den Schlägen. Da beschwor sie miL mächtigem Spruch den GasL, die
Tür sprang auf, aus der DunkelheiL hauchte der fern enLwichne Name ihrer
KindheiL sie an. Die Tür schloß sich wieder ohne Geräusch.

Hellwach verließ die uralte Frau das Lager, LaL sich an, zum Frühopfer
in die Kirche zu gehn.

Der Raum zwischen den Säulen war dunkel noch und leer. 2lm 2llLar haLLe
eine SchwesLer die Kerzen entzündet und ging jeHL durch das Miktelschisf,
um das Tor zu entriegeln. Da sah sie auf der lehken Bank eine Beterin knien.
Erslaunk LraL sie näher und fand eine UnbekannLe, mit einer verschollnen feier-
lichen Tracht angetan, im Beken tief versunken.

2lls die Nvnne mit erhobner Leuchte fürwihig ihr unker das Gesicht zünden
wollte, hielk die Beterin ihr das 2lnkliH entgegen. Der Nvnne entfuhr ein
Schrei, die LaLerne spliLLerte auf den Steinboden. UnLer einer Krone aus Gold
und Zierat drang eisgrauer Baumbart, Spinnweb verschleierte das GesichL,
in Dornen endigten sich rissige Fingcr.

Das Gellen rief die SchwesLern herbei, mit ihnen kam die Äbtissin.

Groß tat die Greisin fahle Augenlider auf, hob 2lrme wie abgesLorbnes
2lstwerk. Raunen brach aus dem Mund.

Die alte Nonne breiLete die 2lrme um die Erscheinung. In einen Erdentod
sanken beide hin, in ein Grab an der Kirchenmauer legke man sie.

Tribüne

Die der deutschen Wlssenschast
und ein Nuttel zu ibrer Äbhilse

Bon KurL Breysig

ber die Kluft, die ztvischen Staat und Geist aufklafft — insofern der Staat

^^"Macht i'st und Macht von jeher des Geisteö Widerpart und allzu oft auch Wi-
dersacher war —, reichen doch i'n guten, fruchtbaren Zei'ten gütige Arme, auögestreckt
von den Lenkern des Staates, um den Geist zu schi'rmen und zu fördern. Di'e Mög>-
lichkeit solches Helfens ist beschränkt; auch der reichste, auch der geistsreundlichste
Staat kann noch ni'cht ei'n armes Buch oder Bi'ld entstehen machen, wenn der Boden,
auf den er sei'ne goldenen Körner ausstreuen wollte, steinig und dürr ist. Wi'll er
das Schaffen fördern, so wird ihm kein besserer Weg offen stehen, als die Starken,
die Fruchtbaren, die Ringenden, die er eben am Werke sindet, zu unterstützen, damit
sie ihr Amt im Dienst des Geistes voll verrichten und nicht, weil sie nach irgendeiner
Rangordnung, nach irgendeinem Mechanismus der Entlohnungsformen für ihre

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