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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

DOI issue:
Heft 9 (Juniheft 1928)
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Eberlein, Kurt Karl: Der Maler als Emerit
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0168

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XXXXI.

Der Maler als Eremit

Zur Sozrologre der Kunst
Von KurL Karl Eberlein

lles, was wir heute im GuLen wre im Bösen zu bewältigen habeu, verdau-
^^"ken wir doch dem 19. IahrhunderL. Dies von poliLischen und geistigen
Kriegen, von sozialen und Lechnischcn RevoluLionen dnrchwühlLe ZahrhunderL
ist die Scheide zweier Epochen und das wahre Ende dcs MiLLelalkers. Dec
leHte Versuch, das Verlorene zu reLLen, zu den alten Kräften und Gründen
zurückzusinden, kämpste neben neuen heldenhasten Vorstößen in neue WelL
und neues Leben. Wir ahnen kaum mehr, was es hieß, die Maschine als
Glück und Gesahr zu erlebeu und den ersten Zusammcnstoß zwischen Men-
schenarbeit und Dampskrast miL seiner ganzen Tragweite zu erfahren. Llnfang
und Eude, Aufschwung und Niedergang, Imperialismus und Sozialismus,
Kultur und Zivilisation lagen nah beisammen. Die WelL weitete sich damals
und wurde schon eng. Herzschlag und Atem der Zeit änderten sich sür immer.
Der alte Faust schloß bei Fabrikgetöse und Spatenklang die Lynkeusaugeu.
Was wir in dem neuen ZahrhunderL bis setzt miterlebk haben, ist nur Auö-
trag und Ernte, Abschluß und Folge dieser ErschüLLerungen, die das vorige
JahrhunderL durchbebten und innerlich mik dämonischer FolgekrafL zerrissen. Auch
in dem Spiegel der Kunst bestätigen sich diese Kämpfe, obschon gerade damals
in der Kunst ein seltsames Bescheidcn, Nicht-wissen-Wollen, Weiterträumen
als ein deutsches Schicksal erscheint. Das erklärk auch die Lragische Nolle, die
der Künstler des ig. Zahrhunderts in seinen besten Vertretern darstellt und
die in ihrer heldenhasten, verzweiselten Opserung nie ganz erkannt oder doch
nur als Historismus in pathologischen Sondersällen gewürdigk wurde. Noch
schimmerte Italien als alte Sehnsucht herein und zog die sormenden Kräfte an.
Die Reuaissance LraL mik lockender Pracht in das Bewußtsein, Barock und
Rokoko klangen wie alte Träume noch einmal aus. Der Künßler glaubte noch
einmal an seine alte Macht und Mission. Das sieghafte Deutschland wähnte
endlich seine wahre Kultur zu finden. Nietzsches Seherstimme verhallte in
Wagners Sirenenruf. Sedan rächte sich in der Kunst der Sieger. Nur
wenn uns diese Kunstpsychologie klar geworden ist, können wir auch die heu-
tigc Lage des Künstlers in ihrer Ausgabe und Problematik annähernd er-
kennen.

Hatte der mittelalterliche Künstler, aus seiner handwerklichen, gildenhasten Ge-
bundenheit langsam gelöst, in seinen besten Mcistern die vorkämpfende Aus-
gabe übernommeu und wie Ritter und Mönch das Heldentum seiner Mission
erwiesen, so stieg der neue Künstler immer mehr in MachL und Ansehen zu
höfischer und adliger Stellung und vollzog die verhängnisvolle Trennung

iZ7

Juniheft 1928 (XXXXI, 9)
 
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