Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft 1928)
DOI Artikel:
Vetter, August: Romantische Frömmigkeit
DOI Artikel:
Alverdes, Paul: Über neuere deutsche Epik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0435

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
rechtes Verständms. Ihre Verkündigung der N!orm duldet kein Extrem;
die Herrschast der Masse entwertet die Persönli'chkeit, den Einzelnen.
Sicherlich gehört zunächst dem Ausgleich der Gegensähe, dem Fortschrikk zum
nüchternen Maß und zur Mittelmäßigkeit die Zukunft. Eine Frage aber ist,
ob es gelingt, das romantische Bedürfnis dauernd zu unkerdrücken. In ihm
verbirgt sich zulehk das sündig-heilige Wesen des Menschen. Und es könnte
wohl sein, daß es aus seiner immer beengteren Verdrängungsstellung, worin
es sich gesährlich sammeln kann, unversehens hervorbräche — wie das junge
Christentum einst in die wirklichkeitsstrenge römische Welt eindrang. Manche
Anzeicheu scheinen auf eine solche Wiederkehr hinzuweisen, doch verheißt
nichts ihre nahe Erfüllung. Solange die Lechnische Zivilisation ihre jehige
Vormachkstellung behälk oder gar verstärkt, ist aus eine neue schöpferische
Bindung der dämonischen und der religiösen Lebensmächke schwerlich zu
hosten.

Und so dürfte auch weiterhin gelken, was Friedrich Schlegel der romantischen
Sehnsucht nach dem Absoluten als Leitwort auf den Dornenweg mitgab:
„Hat man nun einmal die Liebhaberei fürs Absoluke und kann nicht davon
lassen: so bleibk einem kein Ausweg, als sich selbst inuner zu widersprechen
und entgegengesehke Extreme zu verbinden. Um den Sah des Widerfpruchs
ist es doch unvermeidlich geschehen, und man hat nur die Wahl, ob man sich
dabei leidend verhalken will, oder ob man die Notwendigkeit durch Aner-
kennung zur freien Handlung adeln will."

Über neuere deutsche Eprk

Bon Paul Alverdes

I.

Allgemeines

' (^er unbedingten Forderung nach dem sogenannten Zeitgemäßen in der
^^Kunst wird immer nur der Anfänger erliegen. Von allen Seiten ver-
sicherk man ihm, er müsse nichk so sehr danach trachten, ein vollkommenes Ge-
dicht oder Bild zu machen, als vielmehr: die Gesinnung und die besondere
Problematik des besonderen Augenblickes, in dem er lebe, auf eine möglichst
deutliche Weise auszudrücken. Es ist heute so weik, daß man in einem sehr
großen Teil der östentlichen Kritik von der Erfüllung oder Nichkerfüllimg
dieses Anspruches allein den Schluß auf den Rang einer dichterischen Leistung
ziehk. Was man aber in der Mehrzahl der Fälle unter dem eigenklich Zeit-
gemäßen versteht, ist sehr wunderlich. Ein Beispiel zeige es besser als alle
llmschreibung: ein junger Mann, der sich bisher bei seinen hartnäckigen Be-
mühungen um die Hervorbringung von Poesie Hölderlin zum Beispiel genom-
men und, da er ja die Wahl hatte, gleich mit dessen reifstem Stil begonnen
hatte, besuchte mich nach Längerem wieder. Er brachte eine Mappe mit, in
der ich leidlich gemachte Kopien von „Patmos" oder dem „Rhein", diesmal
allerdings zu Unrechk, vermuteke. „Jch bin jehk, sagke er nämlich mit ver-
fchmihter Bescheidenheit, „über das Epigonenmäßige hinaus. Ich gestalte nur
noch den Geist der Zeit, alles übrige ist abgestanden, Alkwasser, Kunst-
gewerbe." Hierauf las er eine Serie von Gedichten vor, in denen Fußbälle,

366
 
Annotationen