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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,2.1929

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Heft 7 (Aprilheft 1929)
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Tribünne
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8886#0067

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Darstellung unserer neuesten Literatur, und selbst seine Gegner pflügen mehr nnt
seinem Kalbe als sle Wort haben wollen. Aber an dem Vielerlei von Aufgaben,
das er sich stellt, müßte auch jeder andere scheitern: kein Mensch kann zugleich Likera-
turgeschichte, Biographie, Bibliographie, Geschichte der einzelnen Wissenschaften, der
Modefchriftsteller, der reinen Unterhalker in einem einzigen Bande geben. Kem Mensch
kann die Geistesgeschichte der letzten achtzig Jahre schreiben und zugleich jeden
kleinen Erzähler oder Possenfabrikanten berücksichtigen. Das alles habe ich Bartels
schvn vor Jahren gesagt, anläßlich seiner „Weltliteratur" bei Reclam, und kann
es ihm heute nicht ersparen. Es ist vsfenbar bei ihm ein primärer Mangel an
Methode, eine Stoffhuberei, die mit zunehmenden Jahren schlimmer geworden ist.
Nur so ist ein derart monströser Wälzer zu erklären.

Umschau

Wilhelm von Bode,

der als Achtzigjähriger im März gestor-
ben, einen kurzen Nachruf schreiben heißt
eine Persönlichkeit und ein Werk von
vielfacher Unausgeglichenheit so auf ihre
Gegensätze zusammendrängen, daß die
ausgleichenden Miktellagen verschwinden
müssen. Späteren Geschlechtern wird die-
ser Generaldirektor der Berliner Mu-
seen, der Weltruf genoß, als typifcher
Vertreter der wilhelminifchen Zeit und
des außerordentlichen Aufstieges von
Berlin gelten; einer Art, die über dem
Duantitätshunger das Qualitätsgefühl,
über dem Besitz dessen tatsächlichen Wert
nicht selten empfindlich vernachlässigt hat.
Als Bode, nachdem er vorher schon
sehr viel für die Berliner Museen ge-
leistet, IZ0Z ihr Generaldirektor gewor-
den, meinte der ihm befreundete Licht-
wark: daS neue Amt werde seine nicht
allzu starke Gesundheit aufreiben, oder er
selbst das Ziel verlaufen. Bode aber
wurde achtzig Jahre und behauptete sich
auch nach seiner Pensionierung noch als
den stillen Oberleiter, der bis unmittel-
bar vor seinem Hinscheiden täglich auf
sem Büro ging und von dort seine
Herrschaft weiterübte — vom Kaiser-
Friedrich-Museum aus, das seine eigent-
liche Schöpfung ist und das er zum
größten deutschen Museum machen
wollte. Don hier aus ist er und sein
Werk mindestens zur Hälfte im Guten
und weniger Guten zu beurteilen. Mit
Karl Voll, der einer seiner fchärfsten und
mutigsten Gegner gewesen, bin ich der
Meinung, daß dieseS Museum immer
noch eine Tat von Rang bedeutet, wenn
man nach Bodes Tod die Kraft fin-
det, es von der Verkrustung seiner nicht

geringen Schlacken zu befreien. Als Bode
daranging, das Museum auszubauen,
waren die Möglichkeiten für bedeutende
Erwerbungen nur mehr gering; daß er
dennoch so viel Achtbares und einzelnes
Hochbedeutsame zusammengebracht, stellt
seiner Findigkeit, Energie und Organi-
sationsfähigkeit ein hervorragendes Zeug-
nis aus. Andererseits hat er allzu un-
bekümmert Werke auf berühmte Namen
gekauft, die er in seiner Sammlung ver-
treten wissen wollte — nicht auö beab-
sichtigter Täufchung, sondern weil bei
diesem ungemein leidenfchaftlichen Men-
schen und seiner ausgeprägten Willens-
mäßigkeit der Wunsch sehr oft der Dater
des Gedankens wurde, weil er sich in
allzugroßer Selbstherrlichkeit unkritisch
seinem Ruf als einer der ersten Ken-
ner überließ. Was dann zur Stühe sei-
ner Annahme jeweils fehlte, hat er im
Kampf mit AnderSmeinenden rücksichts-
los durchgesetzt. Jn diesen literarischen
Fehden hätte er dem „GrobianiSmus" des
16. Jahrhunderts alle Ehre gemacht.
Trotz einer recht erklecklichen Anzahl von
Falfchtaufen und minderwertigeren Er-
werbungen, die den Fachleuten keines-
wegS unbekannt waren, kam es nur in
einzelnen Fällen zu einer ernstlichen Aus-
einandersetzung mit Bode, kaum je
zu einem Sieg über ihn, weil er fast die
ganze Tagespresse für sich zu gewinnen
wußte und die wissenschaftlichen Fach-
blätter in wachsender Zahl und Feigheit
vor dem Ansehen seiner Person zurück-
wichen. Nur die Angelegenheit der Flora-
büste (igog/io) wurde durch seine Hart-
näckigkeit zu einer unwidersprechlichen
Niederlage vor der ganzen Welt; aber
auch hier blieb Bode im wesentlichen
unentwegt bei seiner Auffassung. Diese

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