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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 8 (Maiheft 1931)
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Walpole, Hugo: Junggesellen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0582

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Iunggesellen

Von Hugh Walpole

(Autorisierte Übersetzung aug dem Englischen von Ernst Simon)

S^n jeder BlschofssLadL glbL es naLurgemäß CharakLere, die miL der SLadL
^pebenso fest verknnpfL sind, ebenso unbedingL zu ihr gehören, wie das holpe-
rige Pflafier vor der KaLhedrale. Man kann sie sich in keiner anderen SLadL,
keinem anderen Lande vorstellen. Selbsi die Kinder auf der SLraße kennen
ihre EigenLümlichkeiLen nnd sind gleichsam siolz darauf; in keinem FeßberichL
des LokalbläLLchens dürfen sie in der Rubrik „serner waren anwesend" fehlen.
Die gnke SLadL Polchesier zählie die Herren Harry und NoberL Chandler zu
ihren hervorragendsien PersönlichkeiLen, beinahe schon zu ihren Sehenswürdig-
keiLen, und kein Fremder konnLe länger als eine Woche in der SLadL zubringen,
ohne daß man ihn ebenso auf die Brüder aufmerksam machLe, wie aus die
Fassade der KaLhedrale und das herrliche Grabmal des schwarzen Bischofs.
Harry und NoberL Chandler haLLen ihr ganzes Leben in den Mauern des fried-
lichen SLädLchens zugebracht. Gewrß haLLen sie in ihrer Iugend auswärLige
Schulen und die UniversiLäL Cambridge besuchL, aber sie waren ßeLs so gerne
und so schleunig wieder zurückgekehrL, daß ihre Seele sicherlich auch damals, als
ihr Leib sich draußen in der wilden WelL hernmLummelLe, in der HeimaLsiadL
verblieben war.

Robin war zur ZeiL, als diese GeschichLe spielL, 55 Iahre alL, Harry zehn
Iahre jünger, und sie lebLen zusammen in einem Haus, das die Form einer
Teekanne haLLe, ganz nahe bei der KaLhedrale; eine mütLerliche, behäbige WiLwe
sorgLe für ihr leibliches Wohl. Robin war genau der alLe Herr, den zu finden
man im SchaLLen einer englischen KaLhedrale erwarteLe. Bei seinem Anblick
rief man innerlich aus: „Äh, da ist er ja!" Er sah älLer aus als er war,
denn sein Haar war weiß und seine GeslalL rundlich. 2luch sein Gesicht war
rund und freundlich und ein klein wenig albern, was wohl damiL zusammenhing,
daß er nie rechL wußte, was er miL seinem Mund anfangen sollte. Selbst
wenn er noch so amüsierL nnd herzlich lachte, lag ein unsicheres Zittern um
seine Mundwinkel. Er haLLe Grübchen in den Wangen, eine schöne hohe
Stirne, über der das gerade zurückgekämmte Haar wie ein Wasserfall nach
hinten fiel. Klein und dick war er und immer sehr sorgfältig in graugestreifte
Beinkleider, eine braune SamLwesle und einen schwarzen Rock gekleideL. 2luf
der Straße pflegte er, den schwarzen weichen HuL unLernehmungslustig auf
ein Ohr gerückL, miL vorsichtigen, kleinen SchriLLen dahinzutrippeln. Tansend-
mal blieb er bei seinem Gang über die HaupLstraße stehen, um nnL Freunden
ein paar WorLe zu wechseln — er haLLe keinen einzigen Feind in der Welt.
Iedem wußte er etwas RkeLtes, Teilnehmendes zu sagen. Seine Liebhabereien
waren: NakurgeschichLe, Briefmarken, ZinngeräLe und sein Bruder — und
die letztere fraß alle seine anderen Liebhabereien auf, wie die Schlange in der
Bibel die anderen Schlangen auffrißL.

Henry Chandler war ganz anders geartet: miLLelgroß, rotes Gesicht, braunes
SchnurrbärLchen, kurzgeschniLLenes Haar, selbstsichere, uninLelligente 2lugen, die
HalLung eines Mannes, der die WelL kennt, sehr ofL badeL und an nichts zwe»°
felL. Er war der führende SporLsmann von Polchester, PräsidenL des Golf-
 
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