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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 7.1893-1894

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Heft 24 (2. Septemberheft 1894)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11728#0391

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Dadurch hat er schon uns, meine ich, die Empfindung
für das Monumentale näher gernckt. Und das zu gewinnen,
war geradezu eine Notwendigkeit, gerade so wie die gestellte
Aufgabe einen solchen Ausdruck erforderte.

Sicher ist freilich, daß sich Wallot durch die aristokratische
Abgeklärtheit und Ruhe seiner Schöpfung zunächst das Ver-
ständnis beim Volke erschwert hat, wie er sich auch technisch
die Aufgabe von vornherein erschwert hat, als er die unend-
lich mannichfachen Raumbedürfnisse — nicht immer ohne
Zwang, wie z. B. bei den seitlichen Treppen — in den Rhyth-
mus strenger Symmetrie bannte. Aber das Werk ist so
gigantisch, daß es seine Gedanken, seine Melodie der Zukunst
aufzwingen muß und daß seines Meisters Name sür alle Zeit
als der des ersten Architekten Deutschlands aus dem Ende
unseres Jahrhunderts Klang behalten wird."

* Von engliscber Ikrunst schreibt Perfall ge-
legentlich eines Berichtes über die heurigen Londoner Aus-
stellungen: „Jch habe da einen ost gehegten und eigentlich
ziemlich naheliegenden Gedanken bestätigt gefunden. Nicht
die höchsten Kunstleistungen sind es, nach denen man den
Stand irgend einer nationalen Kunst bemessen darf, wie es
gewöhnlich durch Hinweis auf diese oder jene Größe geschieht,
sondern die Art des Durchschnitts, der Eindruck, den eine
größere Menge von Bildern gewährt. Jch habe mich aus
Grund meiner Beobachtungen auf sestländischen Ausstellungen
wiederholt als einen warmen Verehrer der englischen Kunst
bekannt. Beim Anblick der Ausstellung in der Royal Academy
sah ich meine bisherige Anschanung zwar nicht zerstört, aber
ich war doch veranlaßt, Wasser in den Wein der Verehrung
zu gießen. Die Empfindungsweise, die Bewegung der Phantasie,
die Stoffwahl zeigen auch im großen Durchschnitt jenen mir
besonders sympathischen Reiz, den ich bei den bedeutenderen
Talenten immer gesunden habe. Es finden sich auch in Eng-
land solche untergeordnete Spielereien für den Hausgebrauch
des geldbesitzenden Spießbürgers, die man iu der Malersprache
»Kitsch« nennt. Aber es geht doch jener Grundzug vornehmer
Kunstanschauung durch, der aus einer reichen geistigen Bildung
beruht, jener Geschmack, der in der Kunst eine vom trockenen
Alltagsleben abwendende träumerische Stimmung sucht, deren
nur seinere Geister fähig sind. Nicht nur in antikisirenden
Träumereien, auch in modernen, genrehasten Darstellungen,
nicht zum mindesten im Frauenbildnis, lebt eine Empfindungs-
zartheit eigenartigen Reizes, die mit süßlicher Empfindelei gar

nichts gemein hat. Aber — man versteht in England nicht
recht zu malen. Man sieht bedenklich viele hübsch gedachte
Bilder, die ungenügend gearbeitet sind. Die englische Technik
— die Schule von Glasgow kommt in London gar nicht in
Betracht — beruht zumeist auf Überlieserung. Der große
Turner spielt dabei eine Hauptrolle. Man hat aber hier den
dentlichen Beweis, wie eine ursprünglich bedeutende Kunst-
sprache im schablonenhaft schulmäßigen Gebrauche schließlich sich
verflacht. Jm Tierstück, das beim englischen Publiknm eine
weit bedeutendere Rolle spielt, als bei uns oder in Frank-
reich, lebt noch die Überlieferung Landseers. Die Historie im
eigentlichen Sinne spielt gar keine Rolle, wohl aber die Sage,
und sehr beliebt sind die aus den Werken großer britischer
und anderer Dichter gewonnenen Motive. Das Genrebild
besserer Art bevorzugt eine idyllische Liebeslyrik und namentlich
Kinderszenen. Eine bedeutende Stelle nimmt die Bildnis-
malerei ein. Charakteristisch ist der weite geographische Kreis
der Motive, wobei aber Loch die eigentliche ethnographische
Schilderung selten hervortritt. Die Hochalpen, Jtalien,
Ägypten und der Orient sind sehr beliebt. Aber auch das
Eismeer ist wiederholt zu sehen." Aus der nun folgenden
Einzelschilderung der bedeutenden Bilder ergiebt sich dem Leser
der Eindruck, daß der phantastisch-lyrische Schönheitskultus
teils antiker, teils romantischer Art in England die hervor-
tretende Rolle spielt, wie gegenwärtig in Frankreich und in
Deutschland das religiöse Stimmungsbild, das dort nur ver-
einzelt gepflegt wird. „Gerade angesichts der jetzt auch in
Frankreich und Deutschland mehr nnd mehr hervorbrechenden
sentimental-phantastischen Strömungen gewinnt diese moderne
englische Knnst eine breitere Bedeutung, tritt sie aus ihrer
bisherigen insularen Absonderung gewichtig in die inter-
nationale Strömung ein durch eine Anzahl charakteristischer
Meister. Aber es ist kein Grund gegeben, unserer alten
deutschen Übung zu sröhnen und die englische Kunst im all-
gemeinen unserer heimischen gegenüber anzuschwärmen. Das
allerdings könnte das Studium der Engländer lehren, daß
Anmut und Liebenswürdigkeit in der Kunst noch nicht Schwäche
bedeuten, und insofern könnte die englische Kunst in ihren
bedeutenden Vertretern ein Gegengewicht gegen die gefährliche
moderne französische Art einer krankhast grüblerischen,
melancholisch - philosophirenden Kunst des moralischen Elends
bilden. Jn ihrem Grundwesen ist die englische Kunst heiter,
aber zugleich gemütsinnig."

Lur gekälligen Weaclitung.

Das Anf)ültsverzei(ü)ius für den eben abgelaufenen Iahrgang des Runstwarts wird dem
nächsten Hefte beigegeben. Dieses Heft wird Iedermann auf Verlangen vom verlage (Georg D. U). Lallwey
in München, Maximiliansplatz l3) unberechnet zugestellt.

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-I-

Da mit dem nächsten bsefte der neue Iahrgang unserer Zeitschrift beginnt, ersuchen wir deren Leser,
die Bestellungen baldigst zu erneuern. Und gleichzeitig bitten wir unsere Freunde, durch weiter-
empfehlung mit U)ort oder Schrift, sowie dadurch die verbreitung des Runstwarts zu sördern, daß sie uns
Adressen für die versendung von j)robenummern zur Derfügung, stellen.

* von der dekorativen /Ibusik. — Illnndscbau. — Dichtung. Schöne Literatur. — Schrifteu

. über Literatur 9. — Ju Sachen: Reinheit der Sprache. — Theater. Von den Brettern, die die Welt
bedeuten. — Bildende Künfte. Berliner Kunstbrief. Über das neue Reichstagsgebäude. Von englischer Kunst.



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