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Kunstwart und Kulturwart — 26,3.1913

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Heft 13 (1. Aprilheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14286#0072

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Hauptgewicht auf die neuesten Ope--
rettenschlager legen. Sie deckt dazu
als Herausgeber ein Mann, dessen
Nanre auch im Ausland einen guten
Glanz besitzt. Wie's gemacht ward,
ihn an diese Stelle zu bekommen,
weiß ich nicht.

Man hat den klangvollen Haupt-
titel Sang und Klang gefunden und
arbeitet nach diesem Vorbild weiter,
teilt also ein in: Klassische und

Salonmusik, 2. Oper, 3. Operette
und Tanz, H. Lied. In jedem Äeil
folgen die Komponisten in alpha-
betischer Neihenfolge aufeinander.
Zu dumm, daß da das böse Alpha-
bet dem Herausgeber manch üblen
Streich spielt. Klassische und Sa-
lonmusik: kommt freilich auf Beet-
hovens „Adagio aus der Mond-
scheinsonate" Bendels „Auf der
Barke", so mag der harmlose Kunst-
freund, das heißt Besitzer des Pracht-
werks je nach Geschmack Bendel zur
klassischen und Beethoven zur
Salonmusik rechnen. Endlich wis-
sen wir's nun doch auch, daß Nichard
Strauß mit der Linkonia äome8tiea
unter die Klassiker einzureihen ist,
denn niemand, der jemals die äo-
memica gehört hat, wird behaup-
ten, das sei Salonmusik — also? —
Äberhaupt: Sang und Klang, klassi-
sche und Salonmusik, Operette und
Tanz, Apfelkuchen und Schlag-
sahne . . . warum nicht auch für
den Teil den schönen Titel: Lied
und Gassenhauer? Wenn schon ein-
mal Lohengrin mit der keuschen
Susanne unter einer Prachtein-
banddecke steckt, so darf man auch
die Liederfolgen: Abt, Bohm (Was
i hab), Brahms (Feldeinsamkeit)
. . . Kapeller (Ich hab amchl a Aäu-
scherl ghabt), Kienzl (Im Rosen-
duft), Koschat (Kärntergmüat) nicht
weiter übelnehmen. Das liegt eben
am deutschen Alphabet. Sollte übri-
gens ein harmloser Besitzer des
sechsten Bandes daraus, wie oft ein

Meister vertreten ist, Schlüsse
ziehen wollen auf seine Vedeutung,
so kämen als die drei hervorragend»
sten Komponisten in Frage: Lngel-
bert Humperdinck, Nichard Wagner
und I. Gilbert (mit seiner „Pol-
nischen Wirtschaft"). Der Buchhänd-
ler aber greift dies Machwerk an
als Idealmusikalbum, das durch
Wahl der Musikstücke einen an-
dauernden, beispiellosen Erfolg er-
ziele. Der Erfolg ist allerdings bei-
spiellos: 700 000 Lxemplare sollen
bereits verkauft sein. Wenn's wahr
ist: Welche „musikalische Lrziehung"
bedeutet das dann! And als Her-
ausgeber der drei letzten Bände
zeichnet Engelbert Humper-
dinck. Derselbe Mann, der im
Parsifalschutzbund eine führende
Rolle spielt, für den die Aufführung
des Parsifal an einer ernsten deut-
schen Bühne eine Entweihung ist,
zeichnet dafür verantwortlich, daß
Lristan und „Donnerwetter —
tadellos" von Paul Ginke in eiüem
Bande gebracht werden.

Gabriel Brügel

Emil Preetorius

enn ein Karikaturenzeichner
auf die Welt kommt, so freu
ich mich immer extra. Sie sind
so unangenehm selten. Das Wesen
der Karikatur hat sich erst im neun-
zehnten Iahrhundert entwickelt; von
dem, was wir Heutigen dabei ver-
stehn, ist beispielsweise noch in all
den Zerrbildern auf Napoleon
nichLs, rein nichts, woraus sich
Goethes Widerwillen gegen die
ganze Gattung auf das Natürlichste
erklärt. Bei Lhodowiecki dämmerte
etwas davon, dann schlief's wieder
ein, und bis in die neueren Revo-
lutionszeiten schlief es fest. Lrotz
Daumier und seinen Genossen und
trotz den Zeichnern des Punch
kommt ihm das rechte Wecken erst
im Deutschland der Busch und Ober-

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