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Kunstwart und Kulturwart — 27,3.1914

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Heft 13 (1. Aprilheft 1914)
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Kuntze, Friedrich: Das Dozentenhaus
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14289#0038

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Sollte nun unser Volk, das sich überall mit den kostspieligsten Aus«
drucksformen seines Wohlstandes umgibt, nicht auch die Dankbarkeit gegen
die Vergangenheit und die Sorge für seine Zukunft haben, daß es den
berufenen Bewahrern und Mehrern seiner wissenschaftlichen Bildung die
Möglichkeit gibt, das leisten zu können, was sie zu leisten vermögen?
Ich glaube es bestimmt, und ebenso bestimmt, daß gerade der Leserkreis des
Kunstwarts diese Kulturnot begreifen und uns in ihrer Abstellung helfen
wird.

Dazu ist der erste Schritt so gedacht, daß Riehl, dem Vater unseres
Gedankens, an seinem demnächst zu begehenden siebzigsten Geburtstag,
am 27. April, die aus diesen und anderen Aufrufen sich ergebende Summe
zu dem eben gedachten Zwecke zur Verfügung gestellt werden wird.* Aber
den Fortgang der Sache hoffe ich noch an dieser Stelle berichten zu können.

Friedrich Kuntze

Lose Blätter

Jndisches und Morgenländisches

/-vv^ir pflegen die östlichen Dichter als Fremdlinge zu betrachten; ähnlich
v Hwie eine fremde Blume, die etwa nur der Sammler und der Forscher
seinem Garten hält, der Einheimische nur vorübergehend entzückt
betrachtet. Dies müßte nicht so sein. Ist schon ein solches Betrachten der
fremden Blume ein geringer Gewinn, von fremder Poesie kann man viel--
leicht sagen, daß es vornehmer und vielleicht sogar einsichtiger wäre,
sie beifeite zu lassen als sie flüchtig zu beachten. Alle innere Förderung,
die wir durch Dichtung erfahren, kommt uns zu durch Versenlung und
liebevolles Eingehen auf sie; doppelt gefordert ist diese Liefe Einfühlung
vom Fremden. An östlichen Dichtungen rühmen wir vor allem die Ruhe,
das Auskosten des Augenblicks, die tzellhörigkeit der SLille, die Fein-
empfindlichkeit des BeLrachtsamen. Aber wie falsch würden wir dies alles
verstehen, wenn wir darin einen „Reiz", ein zum eigentlich Dichterischen
tzinzukommendes, einen Index dieser Poesien allein empfinden würden,
wie ärgerlich würden wir diese Ruhe mißbrauchen, wenn wir sie als vor-
übergehendes Medikament in unser angeblich „gehetztes" Dasein einbe-
zögen oder nur als Anregung, einmal es mit ihr zu versuchen. In Wahr-
heit ist sie das erste und letzte Wort dieser Dichtungen, ihr eigentliches
Element, ihre Weltanschauung. Richt daß man auch ruhig leben kann,
drückt sich in ihr aus, sondern daß Tausende von Lebenswerten erst sichtbar,
hörbar, fühlbar werden, wo Rnhe eingezogen ist, daß sie ein äußerstes
Gut und Ziel ist, welches erreichen muß, wer in Liebe, Freude, Würdigkeit
seine Tage verbringen will. Wir geben etwa unten zwei Gesänge aus
des Erhabnen Sang wieder: wer immer diese unüberwindliche Lebens-
anschauung von der Notwendigkeit leidenschaftloser Tat sich als lebendige
Wirkkraft in sich vergegenwärtigt, wird unmittelbar verspüren, wie in
Wahrheit jene Ruhe der Urgrund auch so bedeutsamer tzervorbringungen
wie dieser Philosophie genannt werden kann . . .

* Beiträge an das Konto „Riehl--Stiftung" werden erbeten an die Sammel-
stelle, Mitteldeutsche Kreditbank, Berlin M. 50, TauentziensLraße Sin Abdruck
der Liste der Stifter wird jedem Beteiligten als Quittung zugehen.

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