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Kunstwart und Kulturwart — 27,4.1914

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Heft 22 (2. Augustheft 1914)
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Gleichen-Rußwurm, Alexander: Luxus und Komfort
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https://doi.org/10.11588/diglit.14290#0289

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für die wahren, patriotischen, staatserhaltenden Tugenden ausgab. Nach
seinen siegreichen Feldzügen in Kleinasien und Pontus bringt er uner«
meßliche Beute nach Rom, aber nicht nur Gold, Prunkstücke und Kunstwerke
aller Art, sondern auch lebende Schätze in Gestalt kunstfertiger Sklaven.
Willig läßt sich der große Feldherr von ihnen in allen Lebenskünsten
unterrichten, sie bauen ihm auf dem jetzigen Monte Pincw ein Landhaus,
umgeben es mit herrlichen Gärten und beleben es mit bisher unbekannten
Pflanzen und Tieren, sie schmücken seine Tafel mit erlesenen Freuden.
So hinterläßt Lucullus, der Kriegsmann, sein Bild der Nachwelt als
Typus durchdachten Schwelgertums. Der üppige Orient hatte seinen Äber«
winder überwunden.

Das geschah immer wieder. Von Westen kamen kriegsharte, luxusfremde
Männer nach jenen Stätten urältester Künste des Lebensgenusses und
konnten nicht anders als verändert, ja bekehrt nach tzause zurückzukehren,
beladen mit Teppichen und schönen Geräten, die Zunge gewandter durch
Abung in den schweren orientalischen Sprachen, fremdländische Musik»
Lnstrumente im Arm, sinnengefangen von der (Lrinnerung an Zaubergärten
und seine Tafelfreuden — aber nunmehr ungeduldig den rauhen Tugenden
der Väter gegenüber. Nachdem es sich jahrhundertelang für einen vor«
nehmen Iüngling gehört hat, enthaltsam, nüchtern und abgehärtet zu sein,
hat für Land und Volk der Umschwung ungeheure Tragweite, der plötzlich
von einem solchen Iüngling verlangt, im Kreise der Genossen, reichgekleidet,
mit fremdländischer Bildung geziert, auf Luxus pochend zu erscheinen.
Umsonst sträubt sich der einzelne gegen die veränderte Anschauung. Die
Verführung des weichen, reichen Lebens siegt.

Wie sich das ursprünglich gleichförmige, nach unserm Sinn ärmliche und
strenge Landschaftsbild Luropas zuerst in Italien, dann in den nördlichen
Ländern unaufhaltsam durch Gehölze, Sträucher, Obst und Blumen aus
dem Morgenland bereichern sollte, so ging es mit den Daseinsbedingungen
und^ Sitten der Bewohner. Zuerst durch Griechenlands) dann in größerem
Maßstab durch Roms Kriegstaten, später durch die Kreuzzüge und die
orientalischen Linflüsse auf Venedig wie auf die andern seefahrenden
Länder, endlich durch das Lrschließen der eigentümlichen Kulturwelt Lhinas
und Iapans, durch die Linführung der dort üblichen warmen Getränke,
die neue Möglichkeiten feinster Geselligkeit brachten, kam eine Verfeinerung
der Lebenshaltung, und mit ihr entstanden neue Begriffe von Luxus und
Komfort in der westlichen Welt.

Luxus besteht in dem Genuß, vor anderen mit seinem Reichtum zu
prunken. Wo die Staatsverfassung jede Möglichkeit solchen Tuns unter-
binden würde, entfiele der mächtigste tzebel allen Schaffens. Denn ein
Anhäufen des Geldes um des Geldes willen ist wohl nur ganz einzelnen
tzarpagonnaturen lieb. Viel menschlicher und natürlicher ist es, mit den
erworbenen Schätzen glänzen, imponieren, schmeichelnde Klienten anziehen
zu wollen. Luxus kommt vielen zugut, und mancher seiner Manifestationen
läßt sich eine gewisse Gemeinnützigkeit nicht abstreiten.

Arsprünglich egoistischer ist der Komfort, denn er zielt darauf ab, den
Besitz zu eigenem Genuß, zu privater Bequemlichkeit, zum wirklichen
 
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