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Kunstwart und Kulturwart — 32,4.1919

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Heft 22 (2. Augustheft 1919)
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Schliepmann, Hans: Die Wenigen und die Vielen
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14424#0192

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Lohnes, ist aber der ganze Unterschied zwischen „Dichter und Gelichter",
zwischen den Wenigen und den Vielen begriffen. Und esistdieVoraus-
setzung aller rneiner Anschauungen, daß dieser Unter-
schied zum Regler uuseres Zukunftslebens werde. Glauben
über Geschäft, sonst — die Sintflut! Hans Schliepmanu

Vom Heute fürs Morgen

Die Macht als Gott

Natorp in der Tat-Flugschrift
„Student und Weltanschauung":
f?^u kannst, denn du sollst", lautet
»-^eine der Wendungen des „kategori-
schen Imperativs". Der kategorische
Imperativ unserer Zeit kehrt die Sache
gerade um: Du sollst, denn du kannst!
Fragt den Techniker, fragt den Indu-
strieführer, den Leiter der Börse, des
Verkehrs, vergeßt auch nicht den Ar-
beiter (jeden Zweiges) zu fragen, fragt
den Künstler selbst, den Forscher, dcn
Prediger auf der Kanzel, den Professor
auf dem Kathcder — alle wie mit einem
Munde wcrden sich bekennen zu die-
sem neuen, für sie „kategorischen" Im-
perativ. Keiner, dem es auch nur ent-
fernt in den Sinn kommt, daß der
Mensch, Menschenverstand, Menschen-
kraft, abstehen sollte von etwas, das
sie vermögen, das des Menschen Ver-
mögen, im weitesten Sinne der Macht,
des Könnens steigert; daß es dabei
überhaupt noch etwas zu fragen gäbe,
etwa: ob es denn auch dem Menschen
zum Heil gereichen werde oder viel-
leicht zum Unheil. Wie? Macht, Kön-
nen, das sollte je Anheil sein können?
Das liegt dem Denken des modernen
Menschen ferner denn um Siriuswei-
ten. Halten Sie einem das vor, ich
wette, er wird sich unwillig wegwenden
und zu versteheu geben, dajz er Besseres
zu tun habe, als sich mit solchem Quer-
kopf herumzustreiten. Oder wenn er
boshaft ist, wird er Ihnen etwa fol-
gendes zur Antwort geben: „Und Sie,
Verehrtestcr! Sie genießen etwa nicht
die Vorteile der Ausbreitung mensch-
licher Macht, für die wir andern alle
unsere Kraft einsetzen? Sie streichen
keine Kapitalzinsen ein, die wir Ihnen
erarbeiten? Wirklich nicht? Beziehen
auch nicht eine Besoldung, die wiederum
nur die werteschaffende Arbeit beschafft
und Ihnen auszahlen läßt? Mögen

auch nicht unsere Kauf- und Verkehrs-
gelegenheiten benutzen? Nicht den
Schutz unseres Staates, unserer Rechts-
pflege, nicht die Bildungsmöglichkeiten
genießen, die doch alle, alle kosten, alle
gespeist werden durch das werteschaf-
fende, materiale und geistige Kapital?
Das Kapital, dem die Arbeit keines-
wegs als ein anderes gegenübersteht,
sondern zu dem sie selbst ganz und gar
mitgehört, von dem sie zehrt wie wir
alle und — Verehrtester, Sie können
es nicht wohl in Abrede stellen, —
auch Sie. — Das wollen Sie nicht?
Ernstlich nicht? Nun, das ist dann
wenigstens folgerecht. Aber seien Sie
dann auch bitte ganz folgerecht; gehen
Sie in die Wüste, werden Sie Ana-
choret, und leben Sie als solcher wohl!"
— Sie sagen vielleicht, nun werde ich
boshaft. Aber nein, ich lasse den An°
walt des Kapitals und der Arbeit — des
Kapitals, das im Grunde die Arbeit be°
deutet, denn alle arbeiten, keiner ge°
nießt, ein paar Lumpe abgcrechnet, die
nicht zählen — ich lasse, sag ich, dicsen
Mann so sprechen, nicht um ihn an°
zuklagen, sondern gerade ihn, und je°
den, der so denkt nnd demgemäß han-
delt, als einzelnen durchaus von
Schuld freizusprcchen. Ich bin über-
zeugt, es sind alles Menschen, keinen
Deut schlechter oder weniger menschlich
gesinnt, als irgendwer von uns. Ich er°
hebe gegen keinen Einzelnen, keine
.Klasse, keine Nation die Anklage, daß
sie für sich selbst Gewinn und Be-
fehlsgewalt, für sich, bloß um ihret--
willen, die Macht wolle, sondern man
will schlechtweg die Macht, gutgläubig
um aller, um der Menschheit willen,
denn sie sei des Menschen Heil, sie sei
Gott. Nichts anderes ist in der Tat
die logische Konsequenz der Voraus-
setzung, daß jene beiden Riesenkräfte
des Menschen, Erkenntnis und Wirken,
in ihrem natürlichen und gesunden Zu»
 
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