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Kunstwart und Kulturwart — 32,4.1919

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1919)
DOI Artikel:
Bölsche, Wilhelm: Alexander von Humboldt: zum 150. Geburtstag (14. September 1769)
DOI Artikel:
Garin, Paul: Bolschewismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.14424#0215

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warmer Menschlichkeit bei der Beurteilung sogenanuter „Wilden". In ver--
schiedenen Auszügen verbreitet, u. a. auch von mir in meinem Bande „Neue
Welten", i9s6, mit fortlaufender Texterläuterung. Endlich der erste und
zweite Band „Kosmos", etwas verschnörkelter Altersstil, man muß sich
hineinlesen, wird aber reich belohnt. Nur diese beiden ganz in sich geschlos-
senen Bände kommen in Betracht, der dritte und vierte Band sind nur
veraltete Ausführnngen. Humboldts tzauptwerk. Band s über Kunst und Natur
und das große Naturgemälde. Band 2 Die menschliche Kulturgeschichte vom
Standpunkt der Entwicklung unseres Naturwissens, überaus reich und ohne
jede Gefahr des Veraltens. Diese Natur-Kulturgeschichte samt den ästheti-
schen Teilen als handliches Taschenbändchen in der „Deutschen Bibliothek"
l9s3. Aber Humboldts märchenhaft spannendes Leben existiert eine große
dreibändige wissenschaftliche Biographie bei Brockhaus, mit vorzüglichen
Beiträgen, aber stellenweise heute mehr veraltet als Humboldt selbst. Eine
kleinere in der Sammlnng „Geisteshelden". Es sollte einer danach ein wirk-
lich volkstümliches Buch machen. Wilhelm Bölsche

Bolschewismus

Man schreibt uns:

ir nrüssen die Dinge weder beweinen noch bejubeln, sondern verstehen,
5/ F Hsagt Spinoza.

Katastrophen wie die, welche wir heute erleben, haben sich in der
Geschichte der Menschheit schon öfters zugetragen. Sehen wir von den letzten
und unerforschlichen Ursachen ab und halten uns an die hervorstechendsten Be-
gleiterscheinnngen, so finden wir immcr vor dem Zusammenbruch eine mächtige
Aberschätzung der Außerlichkeiten des Lebens im Geiste der Menschen nnmittel-
bar vorhergehen. Diese Aberschätzung äußert sich in jeder Zeit in demsclben
überspannten Bestreben nach Äberwindung von Raum und Zeit, ein Bestreben,
das sich fortwährend steigert und schlieszlich in der Katastrophe der Gewalt sich
entlädt. Obwohl dies Bestreben in verschiedenen Ieiten der Form nach sehr
verschieden auftritt, ist es im Wesen immer dasselbe. Wissenschaft und Technik
sind die Formen, in wclche es sich in unseren Tagen gekleidet hat. Immer ist
dabei das Ende der Entwicklung das, dasz in der Erfüllung jenes Strebens Ziele
gesucht und erreicht werden, die anzustreben nnd zu erreichen für die Menschheit
keinen Wert mehr hat. Wenn es heute gelingt, über den Ozean zu telephonieren,
so war hierfür ein großer Aufwand von Arbeit nötig, zahlreiche Gehirne muß--
ten sich jahrelang abmartern, zahlreiche Ingenieure, Gelehrte, Mechaniker,
Werkleute mußten schwitzen, um die geistigen und körperlichen Bedingungen
herzustellen, eine nnübersehbare Menge von Schreibern, Zeichnern, Vetzern,
Druckern, Verkehrsleuten mußte sich mühen, die Ergebnisse der Forschungen der
Gelehrten, der Versuche der Ingenieure auszutanschen, bis schließlich die Mög-
lichkeit entstand, daß ein Mensch in Europa niit einem Menschen in Amerika
reden konnte, wie wenn sie nebeneinander stünden. Iedoch der Inhalt keines
solchen Gesprächs kann jemals von solcher Bedeutung sein, daß sie jenen Auf-
wand von Mühe nnd Arbeit rechtfertigte.

Man kann sagen, es kommt auf die mit einer Arbeit verbundenen An-
strengungen und Sorgen und Enttäuschungen und Lriumphe an, nicht auf das,
was die Arbeit erzielt. Nicht daß wir schließlich über dcn Ozean telephonieren
konnten, sondern daß wir auf dem Weg dazu gelernt, gelitten, gejauchzt haben,
war der Sinn jener im Grunde irdisch ziellosen Anstrengungen. Und das ist
wichtig.

Abcr wenn man sich auf diesen Standpunkt stellt, verlieren sich überhaupt
die Anterschiede, und Zarismus und Bolschewismus erscheinen als ein und das-
selbe. Das Wesentliche für uns aber ist in diesem Augenblick, daß der Gc-
 
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