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Kunstwart und Kulturwart — 32,4.1919

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1919)
DOI Artikel:
Volkshochschulfragen, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14424#0219

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mand —, aber doch wie eine große Fabrik oder einen Trust. Erzwingt das
aber die Folgernng: also laßt uns dem „Abel" der Auflösung „nicht wider-
streben"? Aus zwei Gründen ni ch t. Aus dem th e o r et i sch e n Grunde
nicht, weil nnserm Denken und Wollen niemals der Nachweis geführt werden
kann, solche Grojzorganisation sei nicht nur heute und praktisch, sondern immer
und theoretisch, sei absolut unmöglich; immer wieder wird konstruktives,
gesellschafttechnisches Denken und Glückstreben darauf zukommen, eine rationalc
Lebensordnnng für viele Millionen sei möglich, weil sie denkbar ist,
darum wird diese Lebensordnung noch oft und oft erstrebt werden. Und ferner
aus dem praktischen Grunde nicht: weil die vielcn Millionen nun einmal, sogar
anf recht kleinen Erdräumen, da sind, weil deswegen die starke Dezentralisa--
tion nur mit dem Opfer einer mehr oder weniger gewaltsamen Verminderung
großer Völker um Millionen erkaufbar erscheint, und weil die Träger weit-
reichender Verantwortungen dieses Opfer nicht über sich gewinnen. Wir teilen
mit Garin den durch seine Ansführungen schimmernden Wunsch, daß einst eine
Dezentralisation die Entmechanisierung begleiten nnd vielleicht vollenden möge,
wir halten es mit ihm für möglich, daß unser Zeitalter in ferner Ferne einer
solchen Dezentralisation sich nähern wird, aber wir glauben nicht, daß der
Volschewismus zu viel, sondern daß er im Verhältnis zur heutigen Lage zu
wenig konstruktive Ideen und Kräfte entwickelt. Gewiß pflegen Viele die vor
ihren Augen fallenden Opfer zu überschätzen im Vergleich zn denen, die in
der Ferne hinsinken. Aber die Opfer einer Auflösung der Lebensordnung be-
stehen wiederum keineswegs nur aus ein paar hundert oder auch tansend „zu
Schaden Kommenden" in den Straßen der Großstädte. Neben ihnen erblicken
wir einige Zehntausende von Gestürzten, von Menschen, die ihr Alles ver-
loren haben, mögen wir dieses „Alles" nun schätzen oder nicht. And gesetzt
den Fall, daß in Deutschland nach russisch-bolschewistischem Muster verfahren
würde, so wüchsen hier die Zehntausende zu Hunderttausenden, und ineben
diesen würden Millionen an Hunger und Elend zugrnnde gehn. Dies ist es,
was den entsagungvollen und an Hoffnung armen Versuch einer k o n st r u k -
tiven Lösung der Zeitprobleme immer wieder näher legt als den Entschluß
zur destruktiven Lösung. Am so mehr, als wir letzten Endes nicht rational
und zahlenmäßig vergleichen einen Weg, der eine Million Opfer erfordert,
mit einem Weg, der sechs oder zehn Millionen Menschenleben und Menschen-
glückeinheiten kostet, sondern unter dem Druck der Verantwortung und der
Liebe jedes Opfer zu meiden trachten, solange dies irgend möglich scheint,
ungeachtet aller Stimmen, die uns die Aussichtlosigkcit unseres Trachtens
voraussagen. Dieser Standpunkt, dieses „ich will nnd ich muß den Versuch
machen, hente zu helfen", verwehrt es Hentigen, im Hinblick auf eine ferne
Zukunft der gesellschafttechnischen Aufgabe abzusagen. Von diesem Stand-
punkt aus, der der Wirklichkeit näher liegt als der Garins, ergibt sich dann
auch eine andere, weitaus schärfere Kritik am Bolschewismus, obwohl ihm
kein Denkender eine gewisse Größe und noch weniger eine Art Urkraft nnd
Schicksalhaftigkeit für Rußland absprechen wird. Daß jedoch, wer immer heute
an die konstruktive Lösung des Lebensordnnngproblems, an eine „zentralistische"
Lösung, herangeht, gleichzeitig einer ferneren, späteren Dezentralisation vor-
arbeiten, auf sie Rücksicht nehmen sollte, das soll unbestritten blciben. Freilich:
dazu gehört eine stärkere Persönlichkcit und weiterschauende Freiheit dcs Geistes,
als sie leider den heutigen Staatlenkern und Gesellschaftführern zu eignen
pflegt.

Volkshochschulfragen

«M^wei Gründe werden gewöhnlich für das allenthalben sichtbare Anwachsen
der Volkshochschulbewegung angeführt. Die Massen, so sagt man einmal,
^Ihaben einen unverjährbaren Rechtsanspruch auf die Güter der geistigen
Kultur, den das alte System nicht einlöste, den wir aber unbedingt anzuer--
 
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