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Kunstwart und Kulturwart — 32,4.1919

DOI Heft:
Heft 24 (2. Septemberheft 1919)
DOI Artikel:
Volkshochschulfragen, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.14424#0269

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Werte lassen sich durch die Volkshochschule nicht pflegen; der Versnch dazu
wird mit einer gewissen Notwendigkeit münden in Aufpropfarbeit und
Gesinnungmacherei; er wird der notwendigen Volkshochschularbeit den Raum
wegnehmen und wertvollste Naturen kopfscheu machen. Nicht auf Gesinnung
und Wertgefühle, sondern auf Wissenschaftlichkeit und weitesten Gesichtkreis
muß echte Volkshochschularbeit eingestellt werden.

Ich bin mir bewußt, daß diese Anregungen lange nicht alles Wissens-
werte erfassen und auch, daß sie mißverständlich sind. Das Wesen eines
organischen „Bildens", wie es der Volkshochschule zukommt, dürften sie
dennoch einigermaßen kennzeichnen. Selbstverständlich bedarf das Weitere
intensiver Arbeit vieler Köpfe. Raumnot gebot, hier aus einer größeren
Fülle von systematischen Gedanken nur einiges mitzuteilen.

U

^v^eben dem Bildnngziel wird in der deutschen Volkshochschulliteratur nahe-
^vzu regelmäßig das Ziel der Erziehuug ausdrücklich und nachdrücklich
aufgestcllt. „Aufklärung, verbunden mit Gemütsbildung", „sittliche Willens-
bildung", „Erneuerung des Volkes", „Pflege der Begeisterung dnrch begei-
sterungsfähige Lehrer", „Erziehung deutscher Menschen", „Wiedererweckung
des Idealismus" — so oder ähnlich lauten da die Leitworte. Wir sind
an diese Verknüpfung geistbildnerischer Absichten mit sittlich-erzieherischen
vom Schulwesen her gewöhnt. Schon der älteren Iugend gegenüber ist das
„Zusetzen'' von erzieherischen Bestrebungen zu den lehrerischen oft ohne Wir-
kung. Ich erinnere mich sehr genau, daß „wir" in Oberseknnda schon die
Moralanschauungen unserer Lehrer durchaus kritisch, vielfach mit Lächeln
anfnahmen. Etwas andres ist die nicht „zusätzliche" sondern dem lehrenden
und sich aussprechenden Mann von selbst innewohnende sittlichende Wir-
kung. Wo es sich um erwachsene tzörer und tzörerinnen im Alter über
achtzehn Iahre handelt, ist die größte Vorsicht, mehr als Vorsicht, mit
erzieherischen Bestrebungen geboten. Viele, die unausgesetzt jene Leitworte
im Mundc führen, scheinen sich gar nicht klar zu machen, daß die größte
Zahl der tzörer solche Bestrebungen ablehnt oder als unpassend empfindet.
Insbesondere die Arbeiterschaft will Belehrung, sucht den Weg zur geistigen
Selbständigkeit, bedankt sich aber für „Gemütsbildung", „Begeisterung" usw.
Selbst Vorlesungen über Ethik, wenn sie nicht mit größtem Takt gehalten
werden, haben ihr Bedenkliches. Man vergesse nicht das Mißtrauen, das
sich leicht einstellt, von den Lehrern und Vortragenden aber nicht immer
bemerkt wird. Demgegenüber werden manche hinweisen auf Erfahrungen,
die man mit begeisterungwilligen und stark am Moralischen interessierten
tzörern gelegentlich gemacht hat. Sie sollen nicht bestritten werden. Aber
zu fragen ist, wie lange solche Wirkungen vorhalten, und vor allem: ob
sie nicht von Ausnahmelehrern auf einen besonders engen Kreis ausgingen.
Nnter dieser Voraussetzung oder im Bezirk einer Sekte ist manches möglich,
was sonst nicht angängig erscheint. Im allgemeinen soll und muß aus dem
Programm der Volkshochschule jeder besondere, nachdrückliche tzinweis auf
sittlich-erzieherische Nebenabsichten wegbleiben, mnß der städtischen Volks-
hochschule jegliches zusätzliche Erziehungsethos ferngehalten werden. Die
sittliche Wirkung wird sich einstellen, wenn nur die bildnerische Arbeit
sachlich, gründlich, wohldurchdacht und frei von buntem Flitter ist.

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