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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

DOI issue:
Heft 20 (Augustheft 1920)
DOI article:
Schumann, Wolfgang: Knut Hamsun: zu seinem 60. Geburtstage (4. August 1920)
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Popert, Hermann: Deutscher Pazifismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0398

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durch ein Hirnrnelfenster init neuen Angen blicken ließe, ich weiß, wer mir
diese Stunden verschafft; es ist einer, der tzunger gelitten und Mysterien
durchlebt hat und Liebe in sich trug zu Viktoria, Liebe gleich einem glühenden
Blut und einem schicksalwendenden Machtgebot; ich liebe ihn darnm, daß
er dies alles erlebte, und blicke tiefer erregt hinunter, wie sie da unten
wimmeln und ihre Possen treiben oder ihr Geschäft machen oder ihre Sen-
dung erfüllen; es macht mich nachdenklich, nein, nicht nur das, es er-
schüttert mich durch und durch, als wenn ein Bild plötzlich Farbe, Leben
und Tiefe bekäme, das ich bis da nur plan- und sarblos sah. So steht er
Europa gegenüber, der sechzigjährige Norweger; welch ungeheuren Lärm
haben wir hier vollführt seit dreißig Iahren, und gar nun zuletzt! Er
hat nur gezaubert auf seine Weise und seine leise Stimme nur wenig er-
hoben. liud doch konnten wir ihn nicht übertönen. Nein, das konnten wir
nichk... Wolsgang Schumann

Deutscher Pazifismus*

^^er Pazifismus ist die Lehre, daß die bisher herrschende Anarchie
^Dlzwischen den Staaten und die Folgeerscheinung dieser Anarchie:
^^der Krieg, einer Rechtsordnung zwischen den Staaten weichen muß,
genau wie das Faustrecht zwischen den Einzelnen, den Sippen, den kleinen
Stammesgruppen und Staaten, heute schon einer Rechtsordnung gewichen
ist. Der Pazifismus ist ferner die politische Betätigung zur tzerbeiführung
dieser Rechtsordnung. Der Pazifismus ist die Lehre von der Notwendigkeit
eines echten Bölkerbundes gleichberechtigter Staaten und die Arbeit für
die Herbeiführung dieses Völkerbundes.

* Dcn folgenden Aufsatz hat Hermann Popert auf mein Ersuchen für den

Kunstwart geschrieben. Ich betone das ausdrücklich und betone zugleich, daß
ich in allem irgendwie Wesentlichen die von Popert dargelegte Auffassung des
Pazifismus und seiner Aufgabe teile. Wer dcn Kunstwart aufmerksam ge°
lesen hat, den überrascht das ja nicht, denn ich bin gegen die Richtung Frieds
mehrmals und mit Entschiedenheit aufgetreten. Man kann Pazifist sein, wäh-
rend man zugleich den mir für mein Teil beinahe irrsinnig erscheinenden Be°
hauptungen von der alleinigen Schuld Deutschlands scharf entgegentritt, und
ich meine: man soll, ja, man muß beides. Popert hat übrigens eben bei
Alfred Ianssen in Hamburg ein „Tagebuch eines Sehenden" her°
ausgegeben, Notizen und Aufsätze, die er bereits als Offizier im Heeres-
dienst, dann als Zivilist geschrieben hat, von denen er aber bis zu Kriegsende
der Zensur wegen nichts drucken lassen konnte. Popert sagt über dieses Buch:
„Es ist das Tagcbuch eines Mannes, der den Krieg für eine veraltete Form
der Dnrchsetzung von Interessen hält. Eines Mannes, der, nachdem im Iahre
WH der Krieg (veranlaßt durch Frankreich nnd das zaristische Rußland) einmal
ausgebrochen war, selbstverständlich für sein Vaterland Deutschland einen mög-
lichst guten Ausgang ersehnte — der aber sah, wie die Politik derjenigen, die
während des Krieges die tatsächliche Wacht an sich genommen hatten, das
Gegenteil eines solchen Ausganges immer wahrscheinlicher machte." Die meisten
Außerungen, auch scharf geformte Arteile, sind durchaus subjektiv, da Popert
anfangs an die Veröffentlichnng dieser Sätze nicht dachte und später nur
weniges und nur formal geändert hat. So ist es eine Leichtigkeit, Einzel-
heiten anzugreifcn; wer sich an dem Verfasser des „Hellmut Harringa" reiben
will, kann das hier effektvoll und gefahrlos tun. Mir scheint, man sollte sich
lieber des Mutcs freuen, der in solchen Veröffentlichungen licgt, und, nötigen-
falls mit etwas Salz aus dem eigenen Vorrat, das daraus genießen, was
einem liegt. A

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