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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

DOI issue:
Heft 1 (Oktoberheft 1922)
DOI article:
Haës, K. W.: Frage an die Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0022

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wegen der Nichtigkeit dieser Dinge, urn die so viel Aufwand getrieben
wird und so viel Aufregung herumschwirrt. Mich wundert es nicht,
daß Künstler-Kollegen und Schüler sich dies alles ansehen, und voll-
ends Kritiker. Wer es würde mich uoch weniger wundern, wenn sich
die andern Menschen, auch die Kunstempfänglichen, einmal nicht mehr
einreden ließen, daß Aufwand und Aufregung um diese Dinge notwendig
seien. Denn wir haben Zeit und Kraft, falls wir im Leben mehr sehen als
ein Geschäft oder ein Zeittotschlagen, das zu betrachten, was vom Mensch«
lichen und Ewigen durch euch Spiegel und Bekenner sichtbar wird. Aber
Zeit und Kraft für eure tausend Selbstzeugnisse, Entwicklungsdokumente und
Vor» und tzilfsarbeiten haben wir leider nicht.

Da ich mich nicht dumm stelle, sondern wirklich unwissend bin, wie es
zu dieser Skizzenwirtschaft gekommen ist, wirklich die ernstliche Frage danach
in aller Bescheidenheit eines Fernstehenden aufwerfe, stelle ich zum Schluß
noch eine Antwort darauf zur Erörterung, die ein Freund mir früher gab.
Sie befriedigt mich nicht, weder sachlich noch als Miterlebenden dieser Zeit;
ich hoffe noch, daß sie nicht wahr ist; aber weil ich es nur hoffe, doch nicht
weiß, gebe ich sie wieder. Mein Freund sagte: Die Kunst ist längst und
endgültig unvolkstümlich geworden; ein Künstler dieser Zeit, Träger von
Seelenstimmungen, die differenziert und ungemein sind, aber nie allgemein
werden können, da die breitere Entwicklung andere Wege nehmen wird, ein
solcher Künstler kann gar nicht mehr auf Mitgehen und Verständnis der
vielen Willigen, jedoch anderen Berufen Angehörenden rechnen, ein un«
entrinnbares Gefühl sagt ihm das; nun ist das „Ausführen" eines künst«
lerischen Werkes eine große Äual; das Beglückende liegt allein in der Konzep«
tion, im Entwurf, ,oft in der Skizze; hat der KünsÄer diese fertig, so steht
er vor der Frage: wozu soll ich noch „ausführen", da die Wenigen, die das
Ausgeführte verstehen würden, auch im Entwurf schon das Wesentliche er»
kennen, die Andern aber auch das reife Werk nicht verstünden? Aud
solcher Art ist die Skizze als eine Art „Kurz- und Geheimsprache der Sach-
verständigen" aufgekommen, und die Skizzenwirtschaft erklärt sich aus der
seelischen Lage der Zeit.

Diese Antwort befriedigt nicht sachlich, denn sie erklärt eigentlich uur,
warum Entwürfe zu vollen, geltend-dauernden Werken mehr beachtet werden
als früher; Studien und Skizzen aber sind nicht Entwürfe, in denen schon
keimhaft die „ganzen" Werke stecken! Sie sind vielleicht tzandschriftproben,
aber nicht Proben von den Werken, die der Künstler der Welt schuldet.
Die Antwort aber befriedigt noch weniger menschlich. Denn sie schmerzt. Ist
es wirklich so weit, daß Kunst und Volk zeitmeilenweit auseinander kamen?
und daß ihr Künstler das nicht nur ahnt, sondern wißt und durch euer all-
jährliches Treiben anerkennt und bekräftigt? Dann wäre meine Frage frei-
lich verspätet und es wäre mir und Tausenden die Antwort unwichtig. Oder
ist noch tzoffnung? tzoffnung auf eine Aeit, in der dies alles wieder anders
würde? Am dieser tzoffnung willen wiederhole ich zum letzten und lautesten
Male die Frage: was wollt ihr mit dem Preisgeben eurer kleinen Daseins-
und Entwicklungszeugnisse und was bedeutet das Einbrechen dieser seltsamen
Aufdringlichkeit. K. W. tzaes

Wir hoffeN) schon im nächsten tzeft eine Antwort auf diese Frage ver-
öffentlichen zu können. K.-L.

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