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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

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Heft 1 (Oktoberheft 1922)
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Schäfer, Wilhelm: Aus Wilhelm Schäfers "Dreizehn Büchern der deutschen Seele"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0041

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Leben, aber er blieb als Geselle in Colmar, Straßburg und Basel rund
lernte so trefflich zu zeichnen, daß Menschen, Tiere und Bäume auf seinen
Blättern leibhaftig dastanden.

Daß er selber in Nürnberg Meister der Schilderzunft würde, rief ihn der
Vater endlich zurück und hatte ihm auch schon die tzausfrau gesucht aus
gutem Geschlecht.

Aber der Sohn hob an zu ringen um reicheren Nuhm; er ließ die Frau
und die Werkstatt und fuhr nach Venedig, begierig, die welschen Meister
zu sehen und was sie mehr als die Deutschen vermöchten.

Da sah er mit Staunen, wie gut sie den Bau des menschlichen Körpers
und die Gesetze der Räumlichkeit kannten: rechte Körper recht in den Raum
zu stellen nach ihrer Bedeutung, das schien ihm danach die Richtschnur, ein
Weister zu werden wie sie.

Aber er war kein Welscher, er mußte zurück in die Nürnberger Werk»
statt und mußte durch Mühsal die Wegspur suchen, wo jene mit lächelnder
Leichtigkeit gingen.

Als er daheim war, fing er mit tzolzschnitten an — tzeiligenbilder machten
sie so für die Messen, Bilder geschnitten in hölzerne Platten und abgedruckt
auf geschöpftes Papier — er aber schnitt die vierzehn Blätter der Offen-
barung Iohanni-.

Da thronte inmitten der sieben Leuchter Christus hoch in den Wolken,
seine tzand blitzte Sterne, aus dem Mund ging das zweischneidige Schwert-
da kämpften die Geister äm tzimmel, und Michael traf den teuflischen Drachen;
da ritten die grausigen Reiter zu viert durch die brausende Luft, den vierten
Teil der Menschheit vernichtend.

Wirr wie der Troß dieser Träume waren die Striche: zerknitterte Wolken
mit schäumenden Nändern, geringelte Locken, zackige Faltengewänder, flat«
ternde Engel und wehende Bäume füllten den schwarzweißen Raum seiner
Blätter.

Da war noch einmal die gotische Welt, der Altar von Isenheim glühte
hinter den Stricheni aber die Sehnsucht des Nürnbergers war auf die Klar-
heit gerichtet: wie der Wond aus Gewölk wollte das Werk seiner tzand
in den Sternenhimmel steigen.

Der Sternhimmel stand, und der Mond stieg tapfer hinauf in die ewigen
Räume, aber das krause Gewölk hing ihm an; bis der Tod seine tzand
still legte, rang Albrecht Dürer um Klarheit und blieb in den Wolken der
neblichten Wälder gehindert.

Rechte Körper recht in den Raum zu stellen nach ihrer Bedeutung, das
blieb seine Satzung: aber die Körper sperrten sich sehr, und der Raum
schwand im Gedränge der Vielheit, bis seinem Alter das Bild der Apostel
gelang.

Dem evangelischen Wort gleich im Aufruhr der Tage standen sie da und
füllten den Rahmen mit einfacher Größe: alles war recht, Körper und Raum
und Bedeutung, nur das Gewand der Empfindung war aüf welsche Weise
gefärbt.

Zwischen den Zeiten war seiner Seele die Weite verschüttet, tzerkunft und
tzingang rangen in all seiner Kunst um die Stärke, weil ihm kein Füllhorn
der Gegenwart Äberfluß schenkte.

Niemals gelang ihm der Guß aus der glühenden Schmelze, wie er dem
Altar Grünewalds Inbrunst, Grauen und Seligkeit gab.

Aber wie Iakob zwang er den Segen, als er den Stichel ansetzte, die
deutschesten Blätter in Kupfer zu graben.

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