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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

DOI Heft:
Heft 5 (Februarheft 1923)
DOI Artikel:
Alsberg, Paul: Menschheit-Rätsel
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0231

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nehrnen sollen, so hätte sie hart, steif und massiv werden inüssen. So aber
ist die tzand gerade weich, geschmeidig und gelenkig geworden; dies äus dem
einfachen Grunde, weil sie nicht selbst die Leistung ausführen sollte, sondern
nur zur Bedienung des Werkzeugs geeignet gemacht wurde. Bicht das Or>
gan wurde den äußeren Lebensbedingungen angepaßt, sondern das Werk-
zeug, welches die sonst dem Organ zugefallene Ausgabe der Anpassung auf
sich nimmt; dafür wurde das Organ wiederum dem Werkzeug, das an seine
Stelle tritt, angepaßt.«

„Wenn ich im bequemen Auto dahinsause, ist die Leistung (Wirkung)
allerdings so, als ob ich in Siebenmeilenstiefeln laufe. In Wirklichkeit
laufe ich aber gar nicht, sondern schalte gerade den Körper hinsichtlich^seiner
Fortbewegung durch den Kraftwagen aus? „Das Automobil ist also offew-
sichtlich weder ein Nachbild noch ein Verstärker der menschlichen Fortbewe-
gungsorgane, sondern es ist ein außerkörperliches Mittel zur Ausschaltung
des Körpers." „Mit dem Werkzeug setzt sich der Mensch über dre dem
Körper gezogenen engen Grenzen hinweg, befreit er sich in seiner Gntwick-
lung und in seinem Leben von der Naturbeschränktheit des Körpers. In
diesem Sinne kann das menschliche Lntwicklungsprinzip als ein »Prinzip
der Naturbefreiung« bezeichnet werden?

„Die Beziehung der Sprache zum Prinzip der Körperausschaltung wird
schon durchsichtig. Die Natur hat den Körper mit einem Sinnesapparat
ausgestattet, um ihm durch diesen zu seinem Nutzen und Gedeihen die
Kenntnis der das Leben fördernden und gefährdenden, also nützlichen und
schädlichen Faktoren der Amwelt zu ermöglichen und zu verschaffen; ander«
seits hat sie den Körper ausschließlich auf die Lrfahrungen durch die Sinne
angewiesen. Der Mensch jedoch ist rn der Lage, auch ohne persönliches Lr-
lebert (Wahrnehmen) zu Vorstellungen und Erfahrungen zu gelangen. Lr
erreicht dies durch seine Sprache." „Wie an einem Faden vermag der Mensch
in beliebiger Weise, zu jeder Zeit und bei jeder Gelegenheit, den gemeinten
Gegenstand durch das Wort in seinen Vorstellungskreis zu ziehen. Indem
nun der Mensch vermittels des Wortes den Gegenstand vor seine Seele zaw-
bert, vertritt das Wort die persönliche Anschauung des GegensLandes. Ls
tritt demnach »an die Stelle« der persönlichen Anschauung, bzw. es schaltet
dieselbe aus. Damit ist der Kern des Problems erfaßt: mit dem Wort schal-
tet der Mensch die persönliche Wahrnehmung, also seine Sinnesorgane,
als einen Teil seiner Körperlichkeit, aus. So steht auch die Sprache im
Dienste der Körperausschaltung, und das Wort. . tritt in die Neihe der
künstlichen (außerkörperlichen) Werkzeuge/ „Auch die Vernunft, als
das »Vermögen der begrifflichen Werkzeuge«, erweist sich als eine Verwirk-
lichungsform des Prinzips der Körperausschaltung." „Die Ausschaltung un-
serer Sinnesorgane durch den Begriff ist eine andere, als wir sie bei der
Sprache kennen gelernt haben. Das Wort bezieht sich immer nur auf einen
einzelnen bestimmten Gegenstand, den es (anschaulich) vertritt und aus-
schaltet; der Begriff umfaßt viele Gegenstände, deren gemeinsame Seite er
(unanschaulich) vertritt. Der Begriff schaltet also viele Gegenstände zugleich
aus, aber nur solche, die ein Verbindendes besitzen, und nur tnsofern diese
ihre Gemeinsamkeit gemeint ist. Der Begriff (als Beziehungssymbol) ist
somit einesteils weniger als das Wort (als Gegenstandssymbol), da er we--
der einen bestimmten Gegenstand meint, noch anschaulich ist. Lr ist andern-
teils mehr als das Wort, da er eine größere Anzahl von Gegenständen
unter sich hält. Durch die Verschiedenheit des Begriffs vom Worte jun-
 
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