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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

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Heft 5 (Februarheft 1923)
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Vom Heute fürs Morgen
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0255

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weber gestärkt und belebt werden durch
regelmäßigen Kontakt mit Licht, Luft
und Wachstum unter freiem Himmel,
mit Landleben, Lieren, Feldern- Bäu-
men, Bögeln, Sonnenwärme und weiten
Räumen droben, oder sie wird sicher-
lich verdorren und verblassen. Wir
können keine starken Rassen von Hand-
werkern und Arbeitern und keine wahre
Gemeinschaft (der einzige eigenste Zweck
Amerikas) haben, wenn diese Bedin-
gung nicht erfüllt wird. Ich kann mir
keine blühenden, heroischen, demokra-
tischen Kräste in den Vereinigten Staa-
ten oder überhaupt keine dauerhLfte
Demokratie denken, ohne daß die Na-
turkräste einen ihrer tzauptbestandteile
bilden, die die Quelle aller Gesundheit
und Schönheit sind und aller Politik,
Wohlfahrt, Religion und Kunst der
Neuen Welt zugrunde liegen.

Whit ma n ^

Wiffen und Glauben

er Streit zwischen Wissen und
Glauben war noch nicht an der
Tagesordnung, allein die beiden Worte
und die Begriffe, die man damit,ver-
knüpft, kamen wohl auch gelegentlich
vor, und die wahren Weltverächter be-

* !Aus tzans Reisigers Whitman-
Ausgabe, die in diesem tzeft besprochen
ist <S. Fischer, Berlin).

haupteten, eins sei so unzuverlässig als
das andre. Daher beliebte es mir, mich
zugunsten beider zu erklären, ohne je°
doch den Beifall meiner Freunde ge-
winnen zu können. Beim Glauben,
sagte ich, kommt alles darauf an, daß
man glaube; was man glaube, sei völ-
lig gleichgültig. Der Glaube sei ein
großes Gefühl von Sicherheit für die
Gegenwart und Zukunft, und diese
Sicherheit entspringe aus dem Zutrauen
auf ein übergroßes, übermächtiges und
unerforschliches Wesen. Auf die Nner-
schütterlichkeit dieses Zutrauens komme
alles an: wie wir uns aber dieses We-
sen denken, dies hänge von unsern üb-
rigen Fähigkeiten, ja von den Umstän-
den ab, und sei ganz gleichgültig. Der
Glaube sei ein heiliges Gefäß, in wel-
ches ein jeder sein Gefühl, seinen Ver-
stand, seine Einbildungskraft, so gut
als er vermöge, zu opfern bereit stehe.
Mit dem Wissen sei es gerade das Ge-
genteil; es komme gar nicht darauf an,
daß man wisse, sondern was man wisse,
wie gut und wieviel man wlisse. Daher
könne man über das Wissen streiten,
weil es sich berichtigen, sich ,erweitelrn
und verengern lasse. Das Wissen fange
vom einzelnen an, sei endlos und ge-
staltlos, und könne niemals, höchstens
nur träumerisch, zusammengefaßt wer-
den, und bleibe also dem Glauben ge-
radezu entgegengesetzt." Goethe: Aus
meinem Leben.

Unsre Bilder

Hnser Farbendruck ist — selbstverständlich — ein Werk Ernst Kr eidolfs,
des Sechzigjährigen. Ein Bild, ganz geboren aus jener kindmenschlichen
Phantasie, die Kreidolfs Gigenstes ausmacht. Natur, weite, schweigende Natur
gibt den Grundton. Durch die Nacht der Räume fchwingt der Srdensteirn;
nur weiße Berggipfel und kaum erhellte Matten drängen sich empor. Droben
aber entfaltet sich das Gesicht vom „Paradiesgarten", Grasboden mit seltsamen
Pflanzen und Väumen, die schlafende Iungfrau mit der Wiege, selig beruhigte
Gestalten auf der Matte und am Fels, im Vaumgezweig Putten, hinabschwe-
bend zur Grde ein Flügelengel, dem vom Gebirge her ein seltsames schwarzes
Teufelkerlchen sich entgegengebärdet . . . Das ganze ein satter Farbenklang
von tiefer Ruhe und gleichsam nachklingender Freude. — Wie „unliterarisch"
ist dies doch alles gestaltet, rein aus Naturgefühl und kindhaftem Traum-
schauen. Wenn die uralten Lieder von Englein und Paradies und Verse vom
schwarzen Leufelchen in frühen Fahren uns gesungen wurden und wir sahen,
was sie sangen — was sahen wir dann? Das was Kreidolf gestaltet! Was

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