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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

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Heft 6 (Märzheft 1923)
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Mann, Heinrich: Peter Altenberg
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Schnitzler, Arthur: Aphorismen
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Epicurus: Über Leben und Lebensführung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0284

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strömt es mir zu „wie eh und je". Seine unsterbliche Kindheit, die Er>
innerungsblätter an Vöslau, Gmunden, Kaiserbrunn, so ganz nur Seele
ist Weniges, seitdem Menschen sich mitzuteilen versuchen, und Sätze wie
diese: Ieder Tag bringt einen Abend, und in der Bucht beim Toscana--
Garten steht Schilf, und Weiden und Haselstauden hängen über, ein Vogel
flüchtet, und alte Steinstufen führen zu weiten Wiesen, Nebel zieht
herüber, Du lässest die Ruder sinken, und niemand, niemand stört Dich —
Sätze wie diese sind ein ungeheurer Glücksfall der Seele.

Dies wäre alles, was ich Ihnen zu sagen hätte, und es war schon zu
viel. Anderes als das im Kunstgebilde Gewandelte sollten wir weder
von uns noch voneinander preisgeben, es wird notwendig mißverstanden.
Auch mit denen, die uns „verehren", empfiehlt sich Vorsicht, sie kommen
nach gewissen Einblicken in Versuchung, Anseresgleichen nicht mehr für
voll zu nehmen. Altenberg sagte in Venedig, W3: „Was hab ich erreicht?
Daß ein Millionär mich nicht von seinem Tisch weist", — was ein Wort
von ihm war, in Demut so tief wie in Ironie, und durch Schicksalsliebe
groß. Aber wenn Rnberufene es hören?

Für Altenberg war jeder berufen. Ieder konnte seiner Leilhaftig wer«
den nnd durch ihn im Menschenwert steigen.

Aphorismen

Von Arthur Schnitzler

^^er Enthusiast fühlt sich seiner Sache niemals ganz sicher, daher
Isein unstillbarer, oft lästiger Drang, Gefährten seiner Begeisterung
zu werben. Der Skeptiker hingegen bedarf stets einer gewissen
Isoliertheit, denn schon der Rmstand, daß er einen Gefährten seiner
Zweisel findet, vermag es, ihn an diesen irre zu machen.

^v^enschliche Beziehungen aller Art sind dem Los des Absterbens ge-
^^rade so unterworfen wie das einzelne Individuum. Aber daß
solche Lote Beziehungen so selten rechtzeitig begraben werden und in
freier Luft verwesen — das hauptsächlich ist es, was die Atmosphäre der
Gesellschaft, ja der Welt mit so üblem Dufte erfüllt.

Über Leben und Lebensführung

Von Epikur

^er Weise weist weder das Leben von sich, noch hat er Angst davor,
^nicht zu leben. Denn entweder ist ihm das Leben zuwider, noch hält
er es für ein Abel, nicht zu leben. Wie er sich aber bei der Wahl der
Speise nicht für die größere Masse, sondern für den Wohlgeschmack ent-
scheidet, so kommt es ihm auch nicht darauf an, die Zeit in möglichster
Länge, sondern in möglichst erfreulicher Fruchtbarkeit zu genießen. Wer
aber den Iüngling auffordert zu einem lobwürdigen Leben, den Greis da-
gegen zu einem lobwürdigen Ende, der ist ein Tor, nicht nur weil das
Leben seine Annehmlichkeit hat, sondern auch, weil die Sorge für ein
lobwürdiges Leben mit der für ein lobwürdiges Ende zusammenfällt.
Noch weit schlimmer aber steht es mit dem, der da sagt, das Beste sei es,
gar nicht geboren zu sein. Wenn er es mit dieser Außerung wirklich ernst
meint, warum scheidet er nicht aus dem Leben? Denn das stand ihm ja
frei, wenn anders er zu einem festen Entschlusse gekommen wäre. Ist
es aber bloßer Spott, so ist es übel angebrachter Anfug. Die Zukunft

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