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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

DOI Heft:
Heft 9 (Juniheft 1923)
DOI Artikel:
Hahnewald, Edgar: Mit der Angel an der Röder
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0126

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Orar orax und Breggeggeggegg noch in die verschlafene Mittagsstills
schallen. Äber dem Schilf flattern init leisem Knistern Hnnderte blaubeslü-
gelter Libellen, als würden fortwährend blaue Blüten in den Wind gestrent.
Dort steht die Schlei in der durchsonnten Tiefe. Sie verschwindet, wenn der
Schattenstrich der Angel über das Wasser fällt.

Es gibt keine sanftere Beruhigung der Berven, als unter grünen Zweigen
am Wasser zu sitzen und zu angeln.

Ein Irrtum erledigt sich, hat man selbst einmal die Angel in der Hand:
auch ich war bisher der Meinung, daß es kaum einen langweiligeren Sport
gäbe als das Angeln. Bun war ich nur zwei Tage Gast im Fischrevier des
Puppenspielers und weiß nun, daß es ein sehr kürzweiliger Zeitvertreib ist,
bei dem die Stunden so sanft und friedlich und auch so unaufhaltsam wie
das Wasser dahinfließen. Die Angel in der Hand ist ja nur das Mittel, in
dieser Ruhe die eigene Ruhe zu finden. Das ist der Zweck, nicht die Fische,
die man fängt. Ich weiß nich!t, ob es an den nackten Steinufern der Elbe so
ist — in der Stille der grünen Röderbuchten ist es so. Die leise Spannung,
mit der die Augen das Schwimmspiel des Korkes, sein Zucken und Nieder-
tauchen verfolgen, würzt die Ruhe und kürzt die Zeit. Rnd beißt dann eiü
goldflossiger Barsch, ein breiter Blei an, kämpft er schlagend im Wasser,
rauscht er herangedrillt durch die Flut, schnellt er endlich gefangen im Käscher,
so ist es ein Drama. Denn es ist der Kampf einer Kreatur mit dem Lode.

Zwei sonnige Sommertage lang angelten wir. Es war ein wahres Wett-
angeln. Und die Fische im Wasser guckten mir zu, wie ich angelte. Von Zeit
zu Aeit frühstückte einer zum Spaß den Wurm von meiner Angel weg und
freute sich weiter seines Lebens. Wanchmal biß sich ein kleiner, glotzender
Kaulbarsch, ein niedliches Rotauge oder ein unerfahrener Gründling aus
Versehen an meinem Haken fest. Dann sah ich die großen Fische unter Wasser
umherschwimmen, so als ob sie sagten: Donnerwetter, Donnerwetter!

Als wir dann während der heißen Mittagsstunde, in der selbst die Fische
zu faul zum Sterben sind, Pilze im Walde suchten, war ich glücklicher. Denn
oie Pfifferlinge rissen nicht aus, wenn ich sie Haschen wollte.

Mein Lhrgeiz, einen großen Fisch zu fangen, blieb unbefriedigt, und ich
kam dahinter, daß mehr zum Angeln gehört, als nur den Wurm ins Wasser
zu hängen. Der Puppenspieler aber fing mit leichter Hand seine Fische. Und
wenn immer wieder ein starker Blei an seiner Angel tanzte, schien mir das
fast nur eine andere Art, Marionetten am Draht tanzen zu lassen.

Meine winzigen Gründlinge aber hing der Puppenspieler an die Hecht-
gabel. Einem kleinen Fisch wird ein vierfach gedrehter Messingdraht unter
der Haut hinweggezogen. Daran sitzt der zweizackige starke Haken, anzusehen
wie ein kleiner Anker, dicht am Leibe des Fischleins. Die ganze Vorrichtung
hängt an einer festen Schnur an etner Astgabel, die an einem Aferbaum
festgebunden oder ins Erdreich gesteckt wird. Das Fischlein mit dem Todes-
haken am Leibe aber schnellt weiterlebend im Wasser und lockt den Hecht.

Am Mittag hängten wir die erste Gabel an. Am Abend — die Röder
strömte kühl und still — sahen wir nach: die Schnur war an der Gabel ab-
gewickelt und gestrafft — da stand ein dunkler, schlanker Schatten regungs-
los in der Flut. Der Puppenspieler zog die Schnur. Und nun kämpft der
starke Hecht wütend um sein Leben. Er schwimmt schießend davon, — die
Schnur in der Hand seines Iägers gibt nach, holt heran, gibt nach, holt
heran. Der Hecht schnellt und peitscht kämpfend das Wasser. So reißt er
sich den Doppelhaken tiefer in die Wunde. Er springt im Wasser — dre
 
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