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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Schur, Ernst: Spitzenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0397

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AUS DEN SPITZENSCHULEN DER FÜRSTIN VON PLESS

Spitzenkunst.

VON ERNST SCHUR.

Spitzen sollten immer etwas Ätherisches, Ent-
materialisiertes haben. Sie dürfen sich nicht
aufdrängen, sie sollen zart und sensibel sein.
Man sollte gar nicht merken, daß sie irgendwie
von Modeströmungen und Stilperioden abhängig
sind. In ihrer eigenen Welt müssen sie existieren,
zeitlos, allen Vemunftgesetzen entrückt, schön-
heitstrunken in der eigenen Erscheinung schwel-
gend, für einen Tag auflebend, wie man feierliche
Wunder nur selten dem Volke zeigt. Man darf
nicht merken, daß mit Absicht und Vorbedacht
Muster im modernen Geschmack entworfen wurden
oder der alte Stil beibehalten wurde, und daß
damit der Heimarbeit aufgeholfen werden soll,
selbst wenn diese bodenständig und volkstümlich
war. All dies ist zu schwer und zu bewußt für
die Spitze. Sie ist ein Märchen und man soll

davon träumen.

Solche Überraschungen, wie man sie bisweilen
bei den Arbeiten exotischer Stämme oder in
Gegenden, wo eine einheimische Volkskunst noch
selbständig und urkräftig heimisch ist, findet, gibt

es nun zwar nicht oft, jedoch bot eine Berliner Aus-
stellung des Erfreulichen genug, namentlich wenn
man das volkswirtschaftlich bedeutsame Moment
in Anschlag bringt, das darin liegt, daß ein großer
Teil der weiblichen Bevölkerung im schlesischen
Gebirge dadurch eine Beschäftigung zugewiesen
bekommt, die sie der Scholle erhält.

Da diese Arbeit seit etwa fünfzig Jahren hier geübt
wird (sie wurde 1855 von Joh. Jak. Wechselmann
mit Hilfe von belgischen und böhmischen Lehre-
rinnen eingeführt, und die älteste noch bestehende
Spitzenmanufaktur wird von der Witwe des
einstigen Schülers dieses Begründers Bernhard
Metzner noch heute fortgeführt), so hat sich all-
mählich eine Fertigkeit im Technischen heraus-
gebildet, die es mit sich brachte, daß auch die
beiden anderen Spitzenschulen, Hoppe und Siegert,
geleitet von zwei Schwestern, von denen die eine
ebenfalls Schülerin von Wechselmann war, und
Bardt und Dobeneck sich in Schlesien ansiedelten.
Letztgenannte Damen bildeten sich in München,
in der Kunstschule von Debschitz aus und gründeten
dann in Hirschberg die „Schule für künstlerische
Nadelspitzen“, indem sie bemüht waren, den
neuen dekorativen Schmuck bei dem Entwerfen
der Spitzenmuster walten zu lassen. Ihre Schule

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