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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Ein vergessener Maler des Biedermeier
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0661

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EIN VERGESSENER MALER DES besuchen"; wo das tugendsame Bürgerstöchter-
BIEDERMEIER. 'e'n 'm buntgeblümten Kleid aus Mull und
Tarlatan stundenlang stickend am Fenster saß
Je mehr Berlin nach allen Seiten hin und neugierig auf die Gasse spähte. Ach, und
wächst und sich ausdehnt, desto nachdenklicher diese feinen, doch zweckdienlichen Möbel in den
wird der Blick derer, die einst die Jugendjahre niedrigen Stuben, die urgemütlichen, leise ge-
dieser Stadt noch miterlebt haben. Aber die bogenen Sofas mit den bunten Kattunbezügen,
wenigen Alten aus jener gemütlichen Zeit der die Servante, wohlverschlossen mit ihrem Haus-
dreißiger und vierziger Jahre, jene Alten, die schätz von weißgoldenem Porzellan, die kluge
uns versichern, wie unglaublich es ihnen scheine, Einrichtung des Sekretärs, des Schreibschrankes
daß aus der behaglichen Gartenstadt von einst mit seinen vielen geheimnisvollen Schubfächern
ein so ungeheurer Steinbaukasten werden konnte, und Kästchen — und das alles leise erglänzend
schwelgen um so mehr in Erinnerungen an die in der Politur der feinen Maserung von hellem
alte verwehte Epoche des Berliner Biedermeier- Kirsch- oder Birkenholz oder im dunklen
tums. Die fünfunddreißig Jahre von den Frei- Geigenton des Mahagoni. Dazu die zart und
heitskriegen bis zum Jahre 1850, die wir mit sorgfältig gewundenen Mullgardinen am Fenster,
diesem Namen belegt haben, sehen uns aus der ein bescheidenes Kronleuchterchen an der Decke,
Entfernung, in der wir zu ihnen stehen, unter ein schmaler Spiegel mit dunkelgelbem Miniatur-
dem Zeichen eines äußerst friedseligen Philister- tempelrahmen über der niedrigen Kommode,
tums so traulich und behaglich an,

als läge ein ewig verlorenes Glück __^^_____„___
der Ruhe und des Weltabgewandt-

seins in ihnen begraben. Aber der '
Blick ins Vergangene kann ja nie-
mals objektiv sein, weil die allzu
nahe lebendige Gegenwart das
Auge irritiert, das alles Ent-
schwundene in einer Art Verklä-
rung zu sehen gewohnt ist. Die

vergangene Zeit ist immer besser . ^tBft^ltttilft^^ii

als die gegenwärtige! Und je größer vj^^^^^r^^^^^^^^^^^, ^

lebhafter fliegt die Sehnsucht aus ' ^^^^^

lieben vollen Becher" oder das jBP!P' ^.^^v^

echt biedermeierliche Kanapeelied: ÄP«,«»«*.«*»..-*.^ MlHBmHffilHrai^Hll^nH^H

„Will mich einmal ein guter Freund staendchen adolf Henning

die kunstwelt ii, 9

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