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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

DOI Artikel:
Behl, Carl F. W.: Die Dichtung und die bildende Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0836
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DIE DICHTUNO UND DIE BILDENDE KUNST

großen Humoristen Wilhelm Busch. Bei ihm
ist Wort ohne Zeichnung und Zeichnung ohne
Wort nicht denkbar.

Auch die englischen Präraffaeliten lieben
es zuweilen, den Eindruck ihrer Bilder durch
Verszeilen oder Strophen zu unterstützen. Hier
ist allerdings der Dichtung nur eine recht unter-
geordnete Rolle zugewiesen. Eine Wirkung der
Gemälde ist sehr wohl ohne die poetische Er-
gänzung denkbar. Nur wenige Beschauer
werden sich überhaupt die Mühe nehmen, sie
zu lesen. Es ist beispielshalber zumindest sehr
zweifelhaft, ob die Weihe des künstlerischen
Genusses etwa vor dem herrlichen „Day Dream"
des Dichtermalers Dante Gabriel Rossetti erhöht
werden kann durch jenes an sich sehr schöne
Gedicht, das da schließt:

,,Lo ! tow'rd deep skies, not deeper than her look,
She dreams; tili now on her fergotten book,
Drops the forgetten blossom front her hand"

Größeren Wert als die „Illustration" eines Bild-
werkes durch die Dichtung muß man der eigent-

lichen Illustration zubilligen — allerdings nicht
ohne einige Bedenken. Ihr einziges Ziel ist es,
durch unmittelbar sinnliche Anschauung den
Eindruck von Dichtungen zu verstärken. Der
Zeichner, dem diese Aufgabe wird, muß — in
großer Bescheidung - ganz aus dem Geiste
der Dichtung, der er dient, heraus schaffen.
Daß er dabei zugleich durchaus originell sein
und Kunstwerke von selbständigem Werte her-
vorbringen kann, beweist der geniale Engländer
Aubrey Beardsley, dessen Zeichnungen etwa
zur „Lysistrata" des Aristophanes oder zur
„Salome" unvergängliche Beispiele dieser Kunst
sind. Manchem bedeutenden Maler ist eine
solche Aufgabe mißglückt; so erscheint die
Kunst Lovis Corinths beispielshalber zu wuchtig,
zu „monumentalisch", um sich als Buchillustra-
tion zu bescheiden. Im allgemeinen steht
heutigen Tages der Bilderschmuck literarischer
Werke sehr hoch, nachdem die Verkitschung
dieser Kunst gegen Ende des 19. Jahrhunderts
überwunden worden ist. Allerdings glaube ich
in seiner Entwicklung eine gewisse Gefahr zu

SILBERSCHALE THEODOR WENDE-DARMSTADT

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