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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Die Plastik des Berliner Märchenbrunnes
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0853

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IE PLASTIK DES BERLINER
MÄRCHENBRUNNENS.

Es schien allmählich selbst ein Märchen
geworden zu sein — der vielbesprochene Ber-
liner Märchenbrunnen! Es ging die Sage, daß
er überhaupt nie fertig werden würde, und
manches Jahr lang bildete er einen Herzens-
gegenstand des lieben Berliner Witzes. Aber
merkwürdiger Weise fielen endlich doch, nach-
dem mehr als ein Jahrzehnt ins Land gegangen
war, die geheimnisvollen Bauschranken; in dem
alten Friedrichshain, draußen im Berliner Nord-
osten, war ein Wunder geschehen! Und so eilten
denn Schutzleute, Parkwächter, Publikum, Künst-
ler und Kritiker geschwinde herbei, um — jeder
in seiner Art — sich der Sache zu widmen.
Die liebe Kritik, die sich mit dem Gesamt-
eindruck beschäftigte, konnte es sich natürlich
nicht versagen, festzustellen, daß eine stimmungs-
volle Anlage, die den Namen „Märchenbrunnen"
rechtfertigte, nicht zu Stande gekommen sei.
Man war der Meinung, daß ein Märchenbrunnen
etwas Geheimnisvolles, Lauschiges, Verzaubertes,
kurz etwas Märchenhaftes haben müsse, daß die
grelle Nacktheit der gesamten Anlage laut und
hart wirke und eine unruhige, unübersichtliche

Anhäufung von Motiven und Motivchen dar-
stelle, die dem geplagten Auge keinen Punkt
zur Ruhe darbiete. Ja, bösartige Leute meinten,
eine billige Architekturkulisse, von Italien nach
dem Berliner Nordosten verpflanzt, könne
nimmermehr eine bodenständige und moderne
Kunst ergeben, und rechnende Nüchterlinge
hoben mißvergnügt hervor, daß man, um zu
dem vorliegenden Ergebnis zu kommen, ziem-
lich eine Million verwendet und ein Jahrzehnt
und darüber als Arbeitszeit gebraucht habe.
Aber diese Äußerungen der Kritik konnte man
schließlich zu den übrigen legen.

Bei der Betrachtung des Ganzen kommt ge-
wöhnlich die Plastik ziemlich schlecht fort. Mit
Unrecht, denn sie kann bei der großen Rolle,
die sie am Märchenbrunnen spielt, gewiß ein
eigenes Interesse beanspruchen. Drei Bildhauer
wirkten an ihr mit: Der aus München nach
Berlin gekommene Ornament-Bildhauer Rauch,
Wrba aus Dresden und Ignatius Taschner.

Der weitaus größte Teil der Bildwerke rührt
von Taschner her. Er schuf die eigentlichen
Märchenfiguren, die das große Brunnenbecken
flankieren. Diese Schöpfung umschließt auch die
eigentlichen bildhauerischen Werte der Anlage.
Mögen auch manche der Figuren dicht an der

BERLINER MAERCHENBRUNNEN. OES AMTANGALE Arch.: STADTBAURAT LUDWIG HOFFMANN

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