BERLINER ARCHITEKTURPLASTIK
aber noch ein anderer wichtiger Grund für die
damalige Verwahrlosung der Architekturplastik
in Betracht: die Bildhauer dieser Epoche sind un-
ausgesetzt mit einer kleinlich-unfruchtbaren, man
kann sagen gedankenlosen Herstellung schemati-
sch er Provinzdenkmäler beschäftigt. Die Zeit
zwischen 1870 und 1890 wertet begreiflicherweise
aus dem Zeitgeist heraus in erster Linie das
Monument als Kunst. Dagegen wird die Plastik
am Bau als „zweitklassig" durchaus vernachlässigt.
„Dekorativ und schlecht" war damals beinahe
dasselbe.
Heute ist auch in der architektonischen Plastik
ein außerordentlicher Umschwung eingetreten. Er
kam her von Süddeutschland. Münchener Archi-
tekten, vor allem Theodor Fischer und Thiersch,
hatten es leicht, die dortigen Bildhauer, denen
Aufträge für landläufige Provinzdenkmäler nicht
in dem gleichen Umfang zuflössen wie ihren
Kollegen in Berlin, zu ihren Bauten heranzuholen.
Auch Hildebrands Einfluß war hierbei zweifellos
von Bedeutung.
So kommt es, daß von Messel und Ludwig
Hoffmann eine große Anzahl süddeutscher Bild-
hauer nach Berlin gezogen wurde. Beide Süd-
deutsche . . . Hoffmann ist es nach Denkart und
im Herzen auch stets geblieben. Es mag be-
dauerlich sein, daß in Berlin der Versuch, den
man in München gemacht hatte, unterblieb, näm-
lich die am Ort gewachsenen Talente heran-
zuholen und heranzuschulen. Denn die Mono-
polisierung aller bildhauerischen Aufgaben in den
Händen einiger weniger süddeutscher Plastiker
brachte es mit sich, daß das mehr lyrische oder
kunstgewerbliche süddeutsche Temperament, über
dessen Äußerungen wir uns in Süddeutschland
immer wieder freuen, auch bei uns alles überflutete.
Die nordische Art wurde dagegen umsomehr
vernachlässigt. Heute ist ein gewisses münchneri-
sches Baurezept entstanden, das allmählich uner-
träglich geworden ist und dessen Wirkungen an
nordischen, rheinischen und sächsischen Bauten zu
sehen sind. Es droht die berechtigte boden-
ständige Eigenart dieser Gebiete völlig zu ersticken.
Aber wir glauben, daß eine weitere Vernach-
lässigung einer selbständigeren Entwicklung sehr
zu Unrecht erfolgt wäre. Die nord- und mittel-
deutschen Bauplastiker haben überraschend schnell
die begangenen Fehler wieder gutgemacht.
Ausgezeichnete Meister, deren künstlerische
Haupttätigkeit sich sonst der freien Plastik zu-
wendet, haben sich in den „Dienst der Sache"
gestellt und in der modernen Bauplastik Hervor-
ragendes geleistet. So Lederer, Manzel, Janensch,
Breuer, Gaul, Hosaeus, Constantin Starck, L. Cauer,
Kraus, Felderhoff und manche andere. Daneben
hat sich heute auch eine ganze Reihe begabter
jüngerer Künstler die schöne Fähigkeit anerzogen,
mit dem Baumeister einen gemeinsamen Zweck
gemeinsam zu denken.
Besonders charakteristisch für die Berliner an-
gewandte Bildnerei ist ihre große Mannigfaltig-
DEKORATIVE PLASTIK
572
HINRICHSEN UND ISENBECK
aber noch ein anderer wichtiger Grund für die
damalige Verwahrlosung der Architekturplastik
in Betracht: die Bildhauer dieser Epoche sind un-
ausgesetzt mit einer kleinlich-unfruchtbaren, man
kann sagen gedankenlosen Herstellung schemati-
sch er Provinzdenkmäler beschäftigt. Die Zeit
zwischen 1870 und 1890 wertet begreiflicherweise
aus dem Zeitgeist heraus in erster Linie das
Monument als Kunst. Dagegen wird die Plastik
am Bau als „zweitklassig" durchaus vernachlässigt.
„Dekorativ und schlecht" war damals beinahe
dasselbe.
Heute ist auch in der architektonischen Plastik
ein außerordentlicher Umschwung eingetreten. Er
kam her von Süddeutschland. Münchener Archi-
tekten, vor allem Theodor Fischer und Thiersch,
hatten es leicht, die dortigen Bildhauer, denen
Aufträge für landläufige Provinzdenkmäler nicht
in dem gleichen Umfang zuflössen wie ihren
Kollegen in Berlin, zu ihren Bauten heranzuholen.
Auch Hildebrands Einfluß war hierbei zweifellos
von Bedeutung.
So kommt es, daß von Messel und Ludwig
Hoffmann eine große Anzahl süddeutscher Bild-
hauer nach Berlin gezogen wurde. Beide Süd-
deutsche . . . Hoffmann ist es nach Denkart und
im Herzen auch stets geblieben. Es mag be-
dauerlich sein, daß in Berlin der Versuch, den
man in München gemacht hatte, unterblieb, näm-
lich die am Ort gewachsenen Talente heran-
zuholen und heranzuschulen. Denn die Mono-
polisierung aller bildhauerischen Aufgaben in den
Händen einiger weniger süddeutscher Plastiker
brachte es mit sich, daß das mehr lyrische oder
kunstgewerbliche süddeutsche Temperament, über
dessen Äußerungen wir uns in Süddeutschland
immer wieder freuen, auch bei uns alles überflutete.
Die nordische Art wurde dagegen umsomehr
vernachlässigt. Heute ist ein gewisses münchneri-
sches Baurezept entstanden, das allmählich uner-
träglich geworden ist und dessen Wirkungen an
nordischen, rheinischen und sächsischen Bauten zu
sehen sind. Es droht die berechtigte boden-
ständige Eigenart dieser Gebiete völlig zu ersticken.
Aber wir glauben, daß eine weitere Vernach-
lässigung einer selbständigeren Entwicklung sehr
zu Unrecht erfolgt wäre. Die nord- und mittel-
deutschen Bauplastiker haben überraschend schnell
die begangenen Fehler wieder gutgemacht.
Ausgezeichnete Meister, deren künstlerische
Haupttätigkeit sich sonst der freien Plastik zu-
wendet, haben sich in den „Dienst der Sache"
gestellt und in der modernen Bauplastik Hervor-
ragendes geleistet. So Lederer, Manzel, Janensch,
Breuer, Gaul, Hosaeus, Constantin Starck, L. Cauer,
Kraus, Felderhoff und manche andere. Daneben
hat sich heute auch eine ganze Reihe begabter
jüngerer Künstler die schöne Fähigkeit anerzogen,
mit dem Baumeister einen gemeinsamen Zweck
gemeinsam zu denken.
Besonders charakteristisch für die Berliner an-
gewandte Bildnerei ist ihre große Mannigfaltig-
DEKORATIVE PLASTIK
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HINRICHSEN UND ISENBECK