ZUR FRAGE DER NEUESTEN KUNSTRICHTUNGEN
wie in einem Traum, in dem alle Dinge in ahmung zuzuneigen. Es sind dies wohl Er-
schein wie in einem Schleier aufgelöst sind, scheinungen, die man mit Pendelschwingungen,
in denen unser Ich verwoben ist. welche den Gang eines Uhrwerkes lebendig
Doch wir Sterblichen müssen freilich unauf- erhalten, in Vergleich bringen könnte. Kräftiger
hörlich bemüht sein, zu unterscheiden, den Pendelschlag belebt und vertieft — es möge
Dingen Namen zu geben, eine Aufgabe, die sich dies bei jeder Richtung bewähren,
der liebe Gott Adam im Paradiese schon ge-
stellt hat.
Leonardo de Vinci nennt die Malerei die
Wissenschaft vom Sehen, und unter diesem weit ""\ X ASKENZÜGE.
und vielumfassenden Begriff hat sie gar viele
IVl
Möglichkeiten, die alle sich unter diesem Wissen 1 V 1 So lautet der Titel eines soeben bei
einordnen können. Georg D. W. Callwey in München er-
Die Malerei, auch die deutsche, ich kenne schienenen neuen Buches von Professor Ferdi-
da keinen Unterschied, wird ihre schöne Zu- nand Gregori, worin dieser hervorragende
kunft haben, wenn sie auf ähnlichen Welthar- Bühnenkenner eine Reihe von Aufsätzen über
monien oder Seelenharmonien wie die Musik das moderne Theaterwesen gesammelt hat. Wir
ihr Wesen aufbaut und so zur Verkündigerin möchten nachdrücklich auf diese Sammlung ge-
der Schönheit der menschlichen Sehvorstellungen reifter Anschauungen und Gedanken zur deut-
wird, wenn sie von der äußeren Natur genährt, sehen Schauspielkunst hinweisen, denn es steckt
von dieser aber ebenso unabhängig wird wie eine unendliche Fülle kluger und bedeutender
die Musik es ihrem Wesen nach mußte und Charakteristiken darin. Zu den auch für die
konnte. bildende Kunst höchst beachtenswerten Fragen
Fast scheint es aber, daß, wenn die Malerei gehören die, welche Gregori in den Kapiteln
in einem dunklen Drange sich von der Natur- „Gobineaus Renaissance auf der Bühne" und
nachahmung befreien will, die neuere Musik „Ein Kongreß für Theaterästhetik" angeschnitten
ein gewisses Streben hat, sich der Naturnach- hat. Aus dem letzten Aufsatz, worin die Forde-
Abbll: ZUSCHAUERRAUM DES SCHILLERTHEATERS IN CHARLOTTENBURG
Arch.: HEILMANN UND LITTMANN
111
wie in einem Traum, in dem alle Dinge in ahmung zuzuneigen. Es sind dies wohl Er-
schein wie in einem Schleier aufgelöst sind, scheinungen, die man mit Pendelschwingungen,
in denen unser Ich verwoben ist. welche den Gang eines Uhrwerkes lebendig
Doch wir Sterblichen müssen freilich unauf- erhalten, in Vergleich bringen könnte. Kräftiger
hörlich bemüht sein, zu unterscheiden, den Pendelschlag belebt und vertieft — es möge
Dingen Namen zu geben, eine Aufgabe, die sich dies bei jeder Richtung bewähren,
der liebe Gott Adam im Paradiese schon ge-
stellt hat.
Leonardo de Vinci nennt die Malerei die
Wissenschaft vom Sehen, und unter diesem weit ""\ X ASKENZÜGE.
und vielumfassenden Begriff hat sie gar viele
IVl
Möglichkeiten, die alle sich unter diesem Wissen 1 V 1 So lautet der Titel eines soeben bei
einordnen können. Georg D. W. Callwey in München er-
Die Malerei, auch die deutsche, ich kenne schienenen neuen Buches von Professor Ferdi-
da keinen Unterschied, wird ihre schöne Zu- nand Gregori, worin dieser hervorragende
kunft haben, wenn sie auf ähnlichen Welthar- Bühnenkenner eine Reihe von Aufsätzen über
monien oder Seelenharmonien wie die Musik das moderne Theaterwesen gesammelt hat. Wir
ihr Wesen aufbaut und so zur Verkündigerin möchten nachdrücklich auf diese Sammlung ge-
der Schönheit der menschlichen Sehvorstellungen reifter Anschauungen und Gedanken zur deut-
wird, wenn sie von der äußeren Natur genährt, sehen Schauspielkunst hinweisen, denn es steckt
von dieser aber ebenso unabhängig wird wie eine unendliche Fülle kluger und bedeutender
die Musik es ihrem Wesen nach mußte und Charakteristiken darin. Zu den auch für die
konnte. bildende Kunst höchst beachtenswerten Fragen
Fast scheint es aber, daß, wenn die Malerei gehören die, welche Gregori in den Kapiteln
in einem dunklen Drange sich von der Natur- „Gobineaus Renaissance auf der Bühne" und
nachahmung befreien will, die neuere Musik „Ein Kongreß für Theaterästhetik" angeschnitten
ein gewisses Streben hat, sich der Naturnach- hat. Aus dem letzten Aufsatz, worin die Forde-
Abbll: ZUSCHAUERRAUM DES SCHILLERTHEATERS IN CHARLOTTENBURG
Arch.: HEILMANN UND LITTMANN
111