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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Schneidewind, Ernst: Glossen zum Wettbewerb um das Kolonialkrieger-Denkmal oder die neueste Berliner Denkmals-Katastrophe
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0761

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GLOSSEN ZUM BERLINER KOLONIALKRIEGERDENKMAL

WETTBEWERB ZUM BERLINER KOLONIALKRIEGERDENKMAL. I. PREIS

ENTW.: ERITZ BEHN-MÜNCHEN

und den Genügsamen im Lande ist das Gegenteil
nicht zu beweisen. Fast mathematisch aber i s t zu be-
weisen, daß der Bildhauer sein Handwerkszeug bei
dem Entwurf schlecht gehandhabt hat, und daß er
als Denkmalsbauer hilf- und respektlos dem Er-
fahrungsmaterial gegenüberstand, das generationen-
weise vor ihm aufgehäuft liegt.

So mangelt dem Entwurf jedes architektonische
Empfinden und jedes Maßstabsgefühl. Der Elefant
und sein Unterbau stellen fast gleiche Werte dar,
schon dadurch erhält das Ganze das Gepräge eines
unsinnig vergrößerten kunstgewerblichen Gegen-
standes, eines Briefbeschwerers, eines Tintenfasses,
einer Dose etc. Die viel zu plump geratenen Einzel-
teile, Profil und Pilaster samt ihren Untereinzel-
heiten, die wiederum aufgeregte Sonderrollen spielen,
führen einen Krieg auf Leben und Tod mit den figür-
lichen Elementen des Entwurfes.

Und nun der Elefant. Seliger Bernini — was
sagst du nun? Wie köstlich benutztest du die gro-
teske Form des Dickhäuters als tragendes Motiv, wo-
zu sie wie geschaffen ist — hier steht das Unglücks-
vieh als „Bekrönung" herum, Unglücksvieh — denn
sein Bildhauer verzauberte es durch einen Ueber-
guß mit einer geheimnisvollen Stiltunke in ein be-
dauernswertes Geschöpf von traurig-unfreiwilliger
Komik. Unter dem ängstlich eingezogenen Bauch
(alles Stil) wuchern Palmen (alles Stil), und der
exotische Quadrupede scheint nach Busch zu fragen
— „wie das geschehen und warum es ihm geschah".

So energisch der erste Preis abzulehnen ist, an-
erkanntmuß werden, daß er hinsichtlich der Platz-
frage eine gute Massenwirkung gibt. Der Ge-
danke, auf den Platz einen Obelisken zu stellen, wie
ihn besonders energisch Manzel und Sattler-
Ii a h n vertreten, dürfte aber doch noch schlagender
sein. Auch Ludwig Cauers Entwurf, der mit einer
Kolossalfigur Aufgabe und Platz gerecht zu werden
sucht, steht an innerlicher Größe und Vornehmheit der
künstlerischen Gesinnung — ebenso wie der Entwurf
von B r ü 11 — weit über dem ersten Preis. Mögen
alle diese Arbeiten Unausgeglichenes und Entwurf-
haftes zeigen, sie sind entwicklungsfähig und zeugen
vom innerlichen Respekt ihrer Urheber an der Auf-
gabe. Außer den Genannten waren an dem Wett-
kampf noch beteiligt: W r b a - Dresden und Jobst-
Darmstadt. Dr. Ernst Schneidewinä.

*

Wie wir hören, kommen für den neuen Wett-
bewerb, der — nach Ablehnung des Entwurfes von
Behn durch den Kaiser - - jetzt veranstaltet wer-
den soll, nur zwei Künstler in Betracht. Auf-
gefordert hierzu wurde außer Behn noch August
Gaul. Das Befremdlichste ist aber, daß der Kaiser
die Darstellung eines Elefanten als Kolonialkrieger-
denkmal angeblich befohlen hat. Den am ersten
Wettbewerb beteiligt gewesenen Künstlern ist be-
dauerlicherweise keine Gelegenheit zu erneuerter Be-
tätigung gegeben worden. Oder sollte sie der Ele-
fant geschreckt haben?

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