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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0028
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8

Geschlecht und Name.

wartung machte, durfte ich, sobald ich meinen Namen nannte, eines
vergnügten Empfangs und der nengierigen Musterung des Trägers
eines so bedenklichen Namens sicher sein. Am muntersten empfing mich
die hübsche Fran eines hannoverschen Kollegen, der sich den Militär-
arzt des angemeldeten badischen Bataillons ins Quartier ausgebeten
hatte. Als ich in seinem Hause abstieg, befand sich der Kollege auf
der Praxis und ich meldete mich bei seiner Gattin. Sie glaubte.
meinen Namen nicht richtig verstanden zu haben, sah mich zweifelnd
an und bat, ihn zu wiederholen. Jch bnchstabierte ihn vor und sie
lachte mir fassungslos ins Gesicht.

Mein alter Lehrer und Gönner- Naegele, bei dem ich als Student
Assistent war, hatte mir derlei Scenen wiederholt vorhergesagt und
mich dringend ermahnt, den Namen zu ändern. Jch ließ mir aber
nicht bange machen und erklärte ihm eines Tages trocken, daß ich einen
vornehmen, altbewährten Namen trüge und nun und nimmer ab-
legen würde. Meine Familie sei vom ältesten medizinischen Adel.
Wir stammten von dem großen Onibnsins, dem berühmten Leibarzte
Julians, des Abtrünnigen. Nach dem Tode des Kaisers sei bekannt-
lich der verdiente Mann vom Hofe verbannt worden und zu den Goten
an die Donau gezogen, die seinen Namen in Kußmaul übersetzt hätten.
08 der Mund und Ln8inni der Kuß, machten zusammen Onibn8in8. —
Diese Etymologie war Wasser auf die Mühle meines verehrten, zu
Scherzen aufgelegten Meisters. Einige Tage nachher feierte die Fakul-
tät ein Fest in engstem Kreise. Die Herrn unterhielten sich vortrefs-
lich' und Naegele brachte die Rede auf mich. Er habe in mir von
allen Assistenten der Fakultät den vornehmsten, denn ich stamme von
dem großen 0nibn8in8 und sei erbötig meine Abkunft von diesem
Stammvater mit Pergament und Siegel nachzuweisen. Man lachte,
aber der grundgelehrte Pathologe Puchelt, durch einen verstohlenen
Wink Naegeles verständigt, verteidigte meine Ansprüche auf den
stolzen Stammbaum. Am nüchsten Morgen jedoch ließ Puchelt
sein philologisches Gewissen keine Ruhe und zwang ihn, seinem Kollegen
ein Briefchen zu schreiben, worin er ihm darlegte: Oribn8in8 sei kein
lateinisches, sondern ein latinisiertes griechisches Wort. Es habe mit
Mund und Küssen nichts zu thun, eher mit opo?, Berg, und
 
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