die Provisionen.
Stätte ich die
Wahl zwilchen
cinerBedürfuis-
cinftatt, in Der die
Aeimng herge-
stellt und jener,
in der sie ver-
wendet wird —
ich wählte die
letztere und wäre
mit Stolz eine
Toilettefrau, die
den Besen führt
und nicht die Fe-
der; und wäre auch
an der Abteilung
„für Perren" betei-
ligt — während in der
Zeitung nur der Peraus-
geber am Kurszettel parti-
zipiert . . . Joseph Rok
Die Toilettesrau
Die Toilettefrau, die ich meine, hat mit der in Anführungszeichen und aus schamhafter
Verlegenheit so genannter „Toilettetz nichts zu tun — wenngleich auch sie für die Damenabteilung
jener öffentlichen Bedürfnisanstalten engagiert ist, die das Aussehen, den Inhalt und das Format
der bürgerlichen Presse haben. — Die Toilettefrau, die ich meine, sitzt nicht in Toiletten, sondern
bewegt sich zwischen ihnen. Sie ist maßgebend für alle Fragen der öffentlichen Eleganz; sie
gibt den Leserinnen der „B. Z. am Mittags des „Berliner Börsenkuriers" und anderer auf
vornehme Abonnenten eingerichteten Zeitungen den Schnitt, den Stoff, den „Besatz" des mo-
dernen Kleides an, die „Fasson" des Putcs, den „man" im Frühjahr tragen wird, und sie
kennt sich so trefflich in allen Seidenarten und Pelzgartungen aus, als wäre sie bei Crepe de
chine und Chinchilla ausgewachsen. Manchmal ist sie es wirklich. Dann ist sie von Adel
und heißt gewöhnlich: Margarete von . . . Ihr Name klingt so anheimelnd-belletristisch
und ihr Stil erinnert immer an Natalie von Eichstruth. Xlnb während sie von mo-
dernen Parfüms uird Odeurs schreibt, rieche ich den Druekerschwärzeduft der neuesten
Scherl-„Woche". — Die Abteilung, in der die journalistische Toilettefrau den
Schlüssel zu den Geheimnissen der weiblichen Mode führt, heißt nicht kurzweg:
„Für Damen" — sondern etwa: „Frauenbeilage" oder „Für unsere Lese-
rinnen" oder „Die Frauenecke". Aber eigentlich müßte sie heißen: „Sorgen,
die man hat"; oder „Das Nachcs der modernen Frau"; oder „Kopfzerbrechen
des Kap talismus"; oder „Nebbich, der Mittelstand". Pieße die Frauen-
beilage so, dann wäre ihr Name wirklich der Ausdruck für die politische
Gesinnung des Perausgebers und dem Idiom des Kurszettels wenigstens
verwandt, welcher die Abteilung: „Für Perren" ist. — Die Toilettefrau
ist verpflichtet, Modeausstellungen zu besuchen und jene Anhäufungen
von Schultern, Cotepuder, Edelsteinen und Frackhemden, die man
„gesellschaftliche Ereignisse der Saison" nennt: also Wettrennen
im Sommer und Bälle im Winter. Da hält die Toilettefrau
ausgiebig Fleischbeschau, um sodann fürs Morgenblatt zu re-
ferieren. — And davon lebt die Toilettefrau. Würde man
ihr zumuten, von jenen Toiletten zu leben, die so viel nütz-
licher für das Gemeinwohl sind als die Blätter der öffent-
lichen Meinung, die sie bedient — sie wäre empört und
klagte auf Beleidigung. Denn es scheint ihr würde-
voller, die Leserinnen mittelbar auf dein Amweg des
Abonnements mit Zeitungspapier zu versorgen, als
unmittelbar durch eigenhändige Darbietung. Sie
selbst darf sich — ähnlich, wie ihre Geschlechts-
genossin, die denselben Titel aus anderen
Gründen führt — nicht jene Toilette leisten,
die sie beschreibt. Es geht ihr wie etwa der
Courts-Mahler, die auch keine Grafen
küßt wie ihre Peldinnen. Die journa-
listische Modeberichterstatterin ist
eine aus der Belletristik entgleiste,
in ein Fach verschlagene Schrei-
berin. Ihre eigenen Toilette-
wünsche gehen ihren Lese-
rinnen in Erfüllung. And
von den Kleiderfirmen,
die sie aus ehrlicher
Begeisterung im Mo-
debericht erwähnt,
bezieht ihr Chef
Die Arbeitslosigkeit
Eine soziologische Studie
Die Arbeitslosigkeit enthält Mo-
mente von höchstem volkswirtschaftlichen
Wert. Der Arbeitslose läuft täglich von
Pontius zu Pilatus, um sich Arbeit zu be-
schaffen, er zerreißt dadurch mindestens ein
Paar Sriefclsohlen in der Woche — die be-
lebende Wirkung auf den Ledermarkt, so-
wohl was dieRohstoffbeschaffung wie die Erzeugung
von Fertigfabrikaten angeht, liegt auf der Pand.
Weiter, der Mann läuft von Betrieb zu Betrieb. Das
heißt also, er bewegt sich täglich stundenlang in
frischer Luft, die Lungen arbeiten, das Perz klopft an-
geregt. Jeder Sozialhygieniker muß seine Freude daran
haben! Wenig beachtet wurden bisher die Wirkungen, die
sich aus der durch Arbeitslosigkeit bedingten Einschränkung
der Lebenshaltung ergeben, und wurden sie beachtet, so unter-
lagen sie teils einer dilettantischen, teils einer völlig falschen Be-
urteilung. Ernährung und allgemeine Lebenshaltung sinken in der
Arbeitslosigkeit auf ein Minimum, das seinerseits wieder progressiv der
Länge der Arbeitslosigkeit sinkt. Es liegt auf der Pand, daß dadurch ein
nicht zu unterschätzendes Quantum an Gütern für den jenseits der Arbeits-
losigkeit liegenden gesellschafilichen Konsum frei wird, ihm zu gute kommt
und das seinige tut, den Nationalwohlstand zu heben. Was hierbei einen
in relativer Beziehung zu konstatierenden Kräfteschwund der Individuen betrifft,
so wird der Ausgleich durch das oben erwähnte Moment einer vermehrten Ozon-
zuführung geschaffen. Allerdings erweist die Statistik eine Beschränkung der
Lebensdauer durch Kräfteschwund. Eine Perabsetzung der Lebensdauer aber bewirkt
automatisch eine Perabsetzung derArbeitsfähigkeitsdaucr. Eine Perabsetzung derArbeitö-
fähigkeitsdauer wiederum bedingt eine Besserung der Konjunktur auf dein Arbeitsmarkt:
inangelndes Angebot an Arbeitskraft führt zu erhöhterNachfrage. Wir dürfen formulieren: die
Pebung der Lage der proletarischen Klasse ist abhängig von der Pebung der Arbeitslosen-
zifser. Weise Einsicht strebt deshalb an, die dem Arbeitslosen gezahlte Anterstützung möglichst
den Tarifsätzen des in Deutschland gemeindlich geregelten Bestattungswesens anzunähern.
22
Anterlaßt das alte Spiel,
Ist sie endlich mal stabil!
Stätte ich die
Wahl zwilchen
cinerBedürfuis-
cinftatt, in Der die
Aeimng herge-
stellt und jener,
in der sie ver-
wendet wird —
ich wählte die
letztere und wäre
mit Stolz eine
Toilettefrau, die
den Besen führt
und nicht die Fe-
der; und wäre auch
an der Abteilung
„für Perren" betei-
ligt — während in der
Zeitung nur der Peraus-
geber am Kurszettel parti-
zipiert . . . Joseph Rok
Die Toilettesrau
Die Toilettefrau, die ich meine, hat mit der in Anführungszeichen und aus schamhafter
Verlegenheit so genannter „Toilettetz nichts zu tun — wenngleich auch sie für die Damenabteilung
jener öffentlichen Bedürfnisanstalten engagiert ist, die das Aussehen, den Inhalt und das Format
der bürgerlichen Presse haben. — Die Toilettefrau, die ich meine, sitzt nicht in Toiletten, sondern
bewegt sich zwischen ihnen. Sie ist maßgebend für alle Fragen der öffentlichen Eleganz; sie
gibt den Leserinnen der „B. Z. am Mittags des „Berliner Börsenkuriers" und anderer auf
vornehme Abonnenten eingerichteten Zeitungen den Schnitt, den Stoff, den „Besatz" des mo-
dernen Kleides an, die „Fasson" des Putcs, den „man" im Frühjahr tragen wird, und sie
kennt sich so trefflich in allen Seidenarten und Pelzgartungen aus, als wäre sie bei Crepe de
chine und Chinchilla ausgewachsen. Manchmal ist sie es wirklich. Dann ist sie von Adel
und heißt gewöhnlich: Margarete von . . . Ihr Name klingt so anheimelnd-belletristisch
und ihr Stil erinnert immer an Natalie von Eichstruth. Xlnb während sie von mo-
dernen Parfüms uird Odeurs schreibt, rieche ich den Druekerschwärzeduft der neuesten
Scherl-„Woche". — Die Abteilung, in der die journalistische Toilettefrau den
Schlüssel zu den Geheimnissen der weiblichen Mode führt, heißt nicht kurzweg:
„Für Damen" — sondern etwa: „Frauenbeilage" oder „Für unsere Lese-
rinnen" oder „Die Frauenecke". Aber eigentlich müßte sie heißen: „Sorgen,
die man hat"; oder „Das Nachcs der modernen Frau"; oder „Kopfzerbrechen
des Kap talismus"; oder „Nebbich, der Mittelstand". Pieße die Frauen-
beilage so, dann wäre ihr Name wirklich der Ausdruck für die politische
Gesinnung des Perausgebers und dem Idiom des Kurszettels wenigstens
verwandt, welcher die Abteilung: „Für Perren" ist. — Die Toilettefrau
ist verpflichtet, Modeausstellungen zu besuchen und jene Anhäufungen
von Schultern, Cotepuder, Edelsteinen und Frackhemden, die man
„gesellschaftliche Ereignisse der Saison" nennt: also Wettrennen
im Sommer und Bälle im Winter. Da hält die Toilettefrau
ausgiebig Fleischbeschau, um sodann fürs Morgenblatt zu re-
ferieren. — And davon lebt die Toilettefrau. Würde man
ihr zumuten, von jenen Toiletten zu leben, die so viel nütz-
licher für das Gemeinwohl sind als die Blätter der öffent-
lichen Meinung, die sie bedient — sie wäre empört und
klagte auf Beleidigung. Denn es scheint ihr würde-
voller, die Leserinnen mittelbar auf dein Amweg des
Abonnements mit Zeitungspapier zu versorgen, als
unmittelbar durch eigenhändige Darbietung. Sie
selbst darf sich — ähnlich, wie ihre Geschlechts-
genossin, die denselben Titel aus anderen
Gründen führt — nicht jene Toilette leisten,
die sie beschreibt. Es geht ihr wie etwa der
Courts-Mahler, die auch keine Grafen
küßt wie ihre Peldinnen. Die journa-
listische Modeberichterstatterin ist
eine aus der Belletristik entgleiste,
in ein Fach verschlagene Schrei-
berin. Ihre eigenen Toilette-
wünsche gehen ihren Lese-
rinnen in Erfüllung. And
von den Kleiderfirmen,
die sie aus ehrlicher
Begeisterung im Mo-
debericht erwähnt,
bezieht ihr Chef
Die Arbeitslosigkeit
Eine soziologische Studie
Die Arbeitslosigkeit enthält Mo-
mente von höchstem volkswirtschaftlichen
Wert. Der Arbeitslose läuft täglich von
Pontius zu Pilatus, um sich Arbeit zu be-
schaffen, er zerreißt dadurch mindestens ein
Paar Sriefclsohlen in der Woche — die be-
lebende Wirkung auf den Ledermarkt, so-
wohl was dieRohstoffbeschaffung wie die Erzeugung
von Fertigfabrikaten angeht, liegt auf der Pand.
Weiter, der Mann läuft von Betrieb zu Betrieb. Das
heißt also, er bewegt sich täglich stundenlang in
frischer Luft, die Lungen arbeiten, das Perz klopft an-
geregt. Jeder Sozialhygieniker muß seine Freude daran
haben! Wenig beachtet wurden bisher die Wirkungen, die
sich aus der durch Arbeitslosigkeit bedingten Einschränkung
der Lebenshaltung ergeben, und wurden sie beachtet, so unter-
lagen sie teils einer dilettantischen, teils einer völlig falschen Be-
urteilung. Ernährung und allgemeine Lebenshaltung sinken in der
Arbeitslosigkeit auf ein Minimum, das seinerseits wieder progressiv der
Länge der Arbeitslosigkeit sinkt. Es liegt auf der Pand, daß dadurch ein
nicht zu unterschätzendes Quantum an Gütern für den jenseits der Arbeits-
losigkeit liegenden gesellschafilichen Konsum frei wird, ihm zu gute kommt
und das seinige tut, den Nationalwohlstand zu heben. Was hierbei einen
in relativer Beziehung zu konstatierenden Kräfteschwund der Individuen betrifft,
so wird der Ausgleich durch das oben erwähnte Moment einer vermehrten Ozon-
zuführung geschaffen. Allerdings erweist die Statistik eine Beschränkung der
Lebensdauer durch Kräfteschwund. Eine Perabsetzung der Lebensdauer aber bewirkt
automatisch eine Perabsetzung derArbeitsfähigkeitsdaucr. Eine Perabsetzung derArbeitö-
fähigkeitsdauer wiederum bedingt eine Besserung der Konjunktur auf dein Arbeitsmarkt:
inangelndes Angebot an Arbeitskraft führt zu erhöhterNachfrage. Wir dürfen formulieren: die
Pebung der Lage der proletarischen Klasse ist abhängig von der Pebung der Arbeitslosen-
zifser. Weise Einsicht strebt deshalb an, die dem Arbeitslosen gezahlte Anterstützung möglichst
den Tarifsätzen des in Deutschland gemeindlich geregelten Bestattungswesens anzunähern.
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Anterlaßt das alte Spiel,
Ist sie endlich mal stabil!